Wer Boeses saet
Zimmer war dicht, Geister schwebten durch den Raum wie so oft nach solchen Geständnissen. Schließlich murmelte sie:
»Das war alles. Jetzt sind Sie dran.«
François hatte einen Knoten im Hals. Sie hatte ihn überrumpelt und mit den Waffen der Aufrichtigkeit, des Vertrauens und des Mitgefühls geschlagen.
»Warum nicht? Da ich jetzt schon mal so weit bin …«
Er erzählte das Unsagbare. Von seinem perversen Patienten, dem Mord an Diane, Charlottes Depression. Seinem Rückzug nach Sologne, wo er von beißenden Schuldgefühlen heimgesucht wurde. Dann von der Polizei, seiner Arbeit als Profiler, von der er sich eine Lösung seiner Probleme erhoffte, deren Früchte aber einen bitteren Beigeschmack hatten. Heute hatte er das Gefühl, eine schlechte Wahl getroffen und sich völlig verrechnet zu haben.
Sie hörte ihm aufmerksam zu. Seine Abgründe zogen sie an. Ein immaterielles Band vereinte sie, wie ein zwischen Spiegeln gefangener Lichtstrahl.
Als er mit seiner Geschichte fertig war, fragte sie:
»Und jetzt?«
»Ich halte weiter durch. Das heißt, ich versuche es.«
»Wissen Sie, wie man immer sagt? Der Schuster trägt die schlimmsten Schuhe.«
Lächeln.
»Zumindest einen Vorteil hat das Ganze. Wenn ich einen Zusammenbruch habe, kann ich mir alle Anxiolytika der Welt verschreiben.«
»Vielleicht stand Ihnen damals ja nur dieses Mittel zur Verfügung.«
Sie näherte sich ihm und küsste ihn. Überrascht ließ François es geschehen. Dann spürte er, wie die Zunge der jungen Frau sich ihren Weg bahnte.
Plötzlich stieg eine wahnsinnige Lust in ihm auf. Ein Lavastrom, der ihn verzehrte, dass es ihm fast die Sinne raubte. Er packte sie bei der Taille und küsste sie mit aller Kraft.
30
Julia machte sich von ihm los.
Sie schubste ihn auf den Rücken und fiel auf ihn. Ihre Lippen suchten sich gierig, als hätten sie monatelang fasten müssen. François verschlang sie buchstäblich. Ungeschickte Küsse, fiebrige Zärtlichkeiten …
Sie rissen sich die Kleider vom Leib und folgten blind dem Drang nach intimer Nähe, wollten einander riechen, miteinander verschmelzen. In ihren Gesten lag nichts Romantisches. Sie waren brutal, verzweifelt, als kämpften sie ums Überleben. Sie waren wie zwei Schiffbrüchige, die in tosender See auf dem Wasser trieben. Jeder sah im anderen ein Rettungsfloß, eine Insel, auf der man sich erholen konnte.
Haut an Haut. Endlich. Der Geruch ihrer Körper, Schweiß und Salz. Sie setzte sich rittlings auf ihn, ein Reh mit dem Gebaren eines Tigers, dessen Reißzähne sich in seinen Hals gruben. Unter François’ Händen lag der straffe Körper der jungen Frau, ihre muskulösen Schenkel, ihr runder Busen, dessen Spitzen wie eine Herausforderung hervortraten.
Er wollte sie ein weiteres Mal küssen, aber sie stieß ihn zurück. Das war nicht mehr der rechte Moment. Julias Finger suchten nach seinem Penis, der so hart war, dass es ihm schon wehtat. Als sie die Hand darum schloss, glaubte er zu explodieren. Sie rieb ihn und entlockte ihm ein Stöhnen. Die Woge ebbte wieder ab. Eine Atempause, ein Trick, den sie dazu benutzte, ihn in sich hineingleiten zu lassen.
Hitze. Die feuchte Sanftheit eines Seidenhandschuhs. François’ Lust flammte wieder auf. Sie hielt sich an seinen Schultern fest und begann, sich zu bewegen. Erst langsam, dann schneller, heftiger, abgehackter. Er ließ sich von ihr leiten, passte sich ihrem Rhythmus an. Sie saß auf ihm, der Kopf fiel in den Nacken, die Augen waren geschlossen. In der Hemmungslosigkeit dieses gestohlenen Augenblicks kam ihr Gesicht ihm noch schöner vor. Es enthüllte ohne Scham den Riss, die kleine Narbe, die man nur mit dem Herzen sieht und die die Menschen anziehend macht.
Er ließ sich gehen. Keine Orientierungspunkte mehr. Keine Grenzen. Nur ein langer, bunt tapezierter und sternenübersäter Flur. Jede Bewegung ihres Beckens entlockte ihm ein Stöhnen. Jeder Druck ihrer Finger lief wie ein Stromschlag durch seinen Körper.
Sie beschleunigte den Rhythmus. François, der tief in ihr steckte, spürte, wie ihr Bauch sich an dem seinen rieb. Wie zwei polierte Feuersteine, aus denen Funken sprühten. Seine Hände packten ihre Hüften. Er drang noch etwas tiefer in sie ein, bis ihre beiden Körper eins waren. Sie waren zusammengeschweißt. Siamesische Zwillinge, die in der Lust des anderen den Antrieb für das eigene Begehren suchten. Ihr Stöhnen floss ineinander. Sie schrieben eine abgehackte, abrupte Partitur, deren Töne im Zimmer
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