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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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aufzustehen.
    Er fing mit den Favoriten an. Nichts. Dann mit den letzten Verbindungen. Auch nicht besser. Es gab nichts, das auch nur im Entferntesten an einen Blog erinnerte. Léa schien nach jeder Sitzung ihre Spuren zu löschen.
    Er versuchte es mit Julias Methode. Léa verheimlichte ihren Eltern garantiert, dass sie in Kontakt mit einer Anorektikerin stand. Genauso wie Justine es auch nicht bekanntgegeben hatte, dass sie sich dieses Kommunikationsmittels bediente. Vor allem nicht, wenn sie sich dabei über ihren Wunsch ausließ, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Trotzdem hatte Léa ihm soeben verraten, dass sich die Information in ihrem Computer befand. Er brauchte sie also nur zu suchen, einen Code, eine Analogie, ein Anagramm vielleicht, das im Fall einer unerwarteten Kontrolle nicht so eindeutig wäre.
    Er schaute sich ein paar persönliche Dateien des Mädchens an. Es gab Fotos von Topmodels und Filmsternchen, die alle krankhaft mager waren. Er fand auch einen Text, ein paar Dutzend Seiten, wahrscheinlich der Versuch, ein Buch zu schreiben. Beim Überfliegen der ersten Zeilen stieß François auf eine melodramatische Prosa, in der es um Léas existenzielle Ängste ging. Dann wurde seine Aufmerksamkeit durch einen bestimmten Ausdruck gefesselt. Die Magersüchtige sprach von der »göttlichen Marquise«, einer Schwester, der sie alles verdanke, die ihr die Kraft zum Hoffen gebe.
    Der Zusammenhang war schnell hergestellt.
    Eine Schwester.
    Die göttliche Marquise.
    In der männlichen Version ergab das den »göttlichen Marquis«. Das war das Pseudonym des Marquis de Sade. Des umstrittenen Autors von Justine .
    François ging auf die Seite von Google und tippte die Wörter Schwester, göttliche und Marquise ein.
    Es wurde eine ganze Reihe von Treffern angezeigt, die alle mit dem Schriftsteller zu tun hatten. Voller Eifer machte er sich auf die Suche. Schließlich fand er eine Website, deren Buchstaben grau aufschienen, ein Zeichen, dass das Mädchen die Seite kürzlich besucht hatte.
    Der Name lautete: »bloggöttlichemarquise.com«
    Ein dreimaliges Klopfen an der Tür schreckte ihn auf. Er drehte sich um. Léas Mutter erschien im Türrahmen.
    »Tut mir leid. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass sie sich ausruhen kann.«
    Der Polizist nickte. Im Geiste fotografierte er die Blogadresse und schaltete den Computer aus.
    Als er das Zimmer verließ, sagte er noch:
    »Ich habe mir gestattet, Léas PC zu benutzen. Ein Notfall.«
    Die dicke Frau sah ihn erstaunt an. Dann geleitete sie ihn kommentarlos aus dem Zimmer.
    37
    Ein VW . Modell Golf. Graumetallic. Baujahr anno dazumal.
    Julia versprach sich nicht einmal davon etwas, die Datei mit den Kraftfahrzeugscheinen genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu waren die Angaben von Lucies Vater viel zu ungenau. Sie hätte Hunderte von Treffern erzielt und Tage gebraucht, um alle abzuarbeiten.
    Sie zog es vor, sich auf das einzige Detail mit Besonderheitswert zu konzentrieren: die Stereoanlage.
    Die Gelben Seiten, in denen sie über ihr Handy nachschaute, schlugen acht Zentren vor, die Anlagen in Autos einbauten und die alle im Industriegebiet von Avignon lagen. Sie rief sie nacheinander an.
    Und landete einen Glückstreffer: Ein Blaupunkt-Vertragshändler erinnerte sich, im vergangenen Jahr eine hochwertige Anlage in einen alten vergammelten Golf eingebaut zu haben. Er hatte drei Stunden lang an der Elektrik arbeiten müssen, um die Amperezahl steigern zu können. Ohne diese Bastelei hätte man die Anlage gar nicht verwenden können.
    Der Besitzer des Wagens hieß Gérald Leconte. Die auf der Rechnung angegebene Adresse lautete: »Les Genêts«, 12, Avenue Eisenhower in Avignon. Der Name erinnerte die Ermittlerin vage an einen Einsatz wegen eines Nachbarschaftskonflikts in einer billigen Wohngegend im Westen der Stadt.
    Julia legte den ersten Gang ein. Sie ließ die Festungsmauern der Chartreuse hinter sich und fuhr auf die Bundesstraße, Richtung schwarze Nacht.
    In weniger als einer Stunde war der Verkehr erheblich weniger geworden. Es war kaum mehr jemand auf der Straße, die Stadt wirkte geradezu verlassen.
    Sie legte die Entfernung mit durchgedrücktem Gaspedal zurück. An Lucies Lebensbaum war gerade ein neuer Ast gewachsen. Ein Typ, der älter war als sie, der sich in einem Cabriolet fortbewegte und dabei einen Höllenradau veranstaltete. Ein auffallender Mensch, der gerne auf sich aufmerksam machte, aber nur über beschränkte Mittel verfügte. Denn sonst hätte er mit

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