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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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bisschen übertrieben. Ich habe sie wieder auf den rechten Weg gebracht, das ist alles.«
    »Jedenfalls hattest du genug erreicht, sodass sie wieder ein normales Leben führen konnte.«
    »Vielleicht … Es stimmt, wir haben sie seit damals vor zwei Jahren nicht wiedergesehen.«
    François spürte, dass er nicht überzeugt war. Die Einschätzung teilte er nach einiger Überlegung. Er gab sich unwissend, denn er wollte die Wahrheit erfahren und den Fachmann nicht beeinflussen.
    »Bist du nicht zufrieden?«
    »Mit einer Anorektikerin ist man nie zufrieden. Es kommt regelmäßig zu Rückfällen, es ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Wenn sie einen Rückfall gehabt hätte, hättest du das erfahren.«
    »Nicht unbedingt. Zumindest nicht, wenn ihr Zustand keine Einweisung erforderlich macht.«
    »Ich bin der Meinung, dass ihre Eltern dich im Zweifelsfall angerufen hätten.«
    »Dazu hätten sie den Rückfall bemerken müssen.«
    »Willst du damit sagen, dass Justine das vor ihnen hätte verbergen können?«
    »Einziges objektives Anzeichen ist der Gewichtsverlust. Wenn der Kranke stabil bleibt, indem er Fasten und Bulimieattacken richtig dosiert, kann er sein Umfeld täuschen. Aber die Krankheit ist damit noch lange nicht besiegt.«
    Der Profiler nickte. Seine Ahnungen wurden bestätigt.
    »Könntest du hier ein bisschen mehr ins Detail gehen?«
    »Es ist immer dieselbe Geschichte. Als Erstes wird das Symptom attackiert und dann die Ursache behandelt. Deshalb muss man auf lange Sicht planen, eine gründliche Psychotherapie durchführen und beten, dass es funktioniert.«
    »Bis dahin erinnere ich mich. Was ich gerne wissen würde, ist, welche Art von Angst bei Justine den Ton angab.«
    Giraud antwortete, ohne zu zögern.
    »Sie hatte Depressionen.«
    »Es gab keinen Verdacht auf eine Psychose?«
    »Nein. Die Selbstmordtendenzen waren zu stark ausgeprägt.«
    Jetzt hatte François ein Gesamtbild. Justine gehörte zu der Sorte von Magersüchtigen, deren Problematik zu den schlimmsten Folgen führen konnte. Etwa den ersehnten, geplanten Tod, meist durch einen Sprung aus dem Fenster oder durch Tabletten. Aber in ihrem Fall hatte man ihr die Wahl abgenommen. Jemand hatte für sie die Entscheidung getroffen. Ein Verrückter, der ihre Geschichte und ihre Probleme kannte, hatte dies ausgenutzt. Er hatte ihr wahrscheinlich seine Hilfe angeboten, bevor er mit dem Messer auf sie einstach und ihr den Schädel zertrümmerte.
    Wie war er zu ihr in Kontakt getreten? In welchem Moment ihrer Krankheit?
    François fragte:
    »Justine ist drei Monate hier gewesen, stimmt’s?«
    »Ja, so ungefähr.«
    »Hat sie sich mit dem Pflegepersonal angefreundet?«
    »Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Unsere Krankenschwestern werden in ihrer Ausbildung dazu angehalten, solche Kontakte zu vermeiden.«
    »Könntest du mir trotzdem eine Liste der Personen erstellen, die sich um sie gekümmert haben?«
    »Wenn du möchtest. Aber da müssen wir das ganze Team befragen, das immer wieder wechselt. Im Übrigen aus dem gleichen Grund. Der einzige feste Bezugspunkt ist der behandelnde Arzt. Und das war in dem Fall ich.«
    Eine Sackgasse. François versuchte es noch einmal anders.
    »Und die anderen Patienten?«
    »Jetzt mal ehrlich, das ist lange her. Ich erinnere mich nicht mehr.«
    »Wer könnte das wissen?«
    Giraud massierte sich die Schläfen, als wollte er seine Neuronen stimulieren.
    »Man könnte ja …«
    Er unterbrach sich.
    »Warte … Ich habe eine bessere Idee.«
    Er nahm noch einmal die Akte zur Hand und blätterte darin herum. Dann erhob er sich und bat François, ihm zu folgen. Sie standen wieder im Gang. Giraud drückte eine Tür gegenüber seinem Büro auf.
    »Anaïs … Können Sie über Ihren Computer den Belegungsplan für die Betten einsehen?«
    Es war die Brünette von vorhin, in einen weißen Kittel mit dem Wappen der Klinik gezwängt. Sie musterte François kurz und antwortete dann lächelnd:
    »Was suchen Sie?«
    »Zimmer sieben und Zimmer vierundfünfzig. Für den Zeitraum März bis Juni 2007.«
    Die hübsche Brünette hämmerte auf der Tastatur herum. Sie hielt sich sehr gerade, eine Haltung, bei der sie ihren Busen so vorstreckte, dass er an einen Airbag erinnerte.
    »Die sieben ist ein Einzelzimmer. Belegt von Justine Crémant vom sechsten März bis zum zweiundzwanzigsten April«
    »Und die vierundfünfzig?«
    Eine Bewegung mit der Maus. Ein Klick.
    »Das ist ein Doppelzimmer. Das war von mehreren Patienten belegt.«
    »Geben Sie mir

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