Wer Böses Tut
hat, ist, dass er etwas besitzt, das ihn belastet. Er hat Angst, dass wir es finden, ehe er Gelegenheit hat, es zu verstecken. Verstehen Sie das? Wo könnte er seine Sachen aufbewahren? Die er benutzt hat, um Sie zu quälen? Mit wem trifft er sich? Wo geht er hin, wenn Sie nicht dabei sind?«
Nach einer Weile nickte sie. »Mike hat eine Tasche. Ich weiß, was es bedeutet, wenn er sie mit nach Hause bringt. Was er dann tun wird.« Sie biss sich auf die Lippe, ihre Finger umklammerten die Decke so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden.
Am liebsten hätte er sie berührt, um sie zu trösten, doch er wollte ihr keine Angst einjagen.
»Dann bringt er also die Tasche manchmal mit in die Wohnung?«
»Wenn er damit hereinkommt, pfeift er... fröhlich. ›Ich habe eine Überraschung für dich‹, sagt er dann.«
»Aber es ist keine Überraschung.«
»Nein. Es ist …« Ihre Stimme erstarb.
»Wie sieht sie aus?«
»Sie ist klein. Schwarz. Wie eine Arzttasche.«
»Woher kommt er, wenn er die Tasche mit nach Hause bringt? Von der Arbeit?«
Sie schüttelte den Kopf und starrte auf ihre kurzen, abgekauten Fingernägel. »Nicht, wenn er von der Arbeit kommt. Nie.«
»Wann sehen Sie sie dann?«
Ihre Augen schweiften für einen Moment wieder zu dem schwarzen Bildschirm.
»Wenn er aus dem Fitnessclub kommt. Immer nach dem Fitnessclub.«
»Welcher Fitnessclub?«
»Er trainiert«, sagte sie leise, als hätte sie seine Frage nicht gehört und wäre in Gedanken ganz bei Jennings. »Sein Freund, Daz, arbeitet dort. Lässt Mike umsonst rein. Mike springt für Daz ein … wenn Daz krank ist … oder zu fertig.«
»Wo ist der Fitnessclub?«
Sie seufzte tief und schloss die Augen, als wäre ihr alles zu viel. »Unter den Arkaden in der Nähe der Waterloo Station.«
»Wissen Sie, wie er heißt?«
»Waterloo Green? Waterloo Place? So ähnlich. Er hat mich einmal mitgenommen … war nicht meins.«
»Danke, Heather«, sagte Tartaglia, der schon dabei war, sein Handy aus der Tasche zu holen, und stand auf. »Vielen Dank. Ich muss jetzt gehen.«
»Gehen?« Sie wirkte erschrocken und streckte ziellos die Hand aus. »Werden Sie wiederkommen?«
Er ergriff ihre Hand und drückte sie sanft, ehe er sie zurück auf die Decke legte. »Hier sind Sie erst mal in Sicherheit. Er hat keine Ahnung, wo Sie sind oder was mit Ihnen ist. Wenn Sie entlassen werden, wird Constable Downes, die gerade mit mir hier war, einen sicheren Ort für Sie finden. Wir werden auf Sie
aufpassen, das schwöre ich.« Er sah ihr beim Sprechen tief in die Augen, damit sie ihm glaubte.
Sie fing wieder an zu weinen und ballte die Fäuste. »Er wird mich finden …«
»Nein. Ich sorge dafür, dass er das nicht kann.«
Während er sprach, kam Downes mit hochrotem Gesicht herein und schleppte einen Sessel ins Zimmer, der beinahe so groß war wie sie.
»Sie können sich nicht vorstellen, was für ein bürokratischer Akt es ist, hier einfach nur einen Stuhl zu bekommen«, keuchte sie und stellte den Sessel neben den anderen Stuhl. »Ich musste praktisch darum kämpfen.« Downes tupfte sich das Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab. Dann ließ sie sich in den Sessel fallen und lächelte Heather an.
»Ich muss los«, sagte Tartaglia. »Heather ist jetzt bereit zu reden. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Warten Sie.« Der leise, atemlose Aufschrei kam aus dem Bett.
Er schaute zu Heather hinüber. »Ich muss jetzt gehen.«
Ohne den Blick von Tartaglia zu nehmen, sagte Heather: »Mike ist krank. Er ist böse. Sie müssen ihn stoppen.«
Tartaglia nickte. »Ich verspreche Ihnen, dass ich alles dafür tun werde, dass Michael Jennings für immer eingesperrt wird.«
Einunddreißig
»Erkennen Sie einen dieser Schlüssel?«, brüllte Tartaglia, um das Wummern der Tanzmusik, die aus Lautsprechern über seinem Kopf dröhnte, zu übertönen, und streckte die Handfläche mit den beiden Schlüsseln aus.
Ryan Phillips, der stellvertretende Geschäftsführer des Waterloo Place Fitnessclubs, betrachtete sie und schüttelte den Kopf. »Die Mitglieder bringen ihre eigenen Vorhängeschlösser für die Spinde mit. So fällt es nicht auf uns zurück, wenn etwas fehlt.«
Er war ein rotgesichtiger Südafrikaner, mit wulstigem Nacken und dünnem, sandfarbenem Haar, in Anzug und Krawatte, und er hatte gerade erst seinen Dienst angetreten. Zunächst hatte er sich geweigert, die Polizei in den Club zu lassen, bis Tartaglia ihm genau erklärt hatte, wozu ein
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