Wer Böses Tut
Sie nicht mit Richard Greville gesprochen? Oder die Polizei geholt?«
»Richard war nicht da, da bin ich mir sicher. Ich habe vorgeschlagen, die Polizei anzurufen, aber Rachel wollte nicht. Sagte, sie kümmere sich drum. Sie zog ihren Mantel an und ging raus, um mit ihm zu reden.«
»Haben Sie gesehen, was passiert ist?«
Sie zögerte und seufzte. »Na ja, neugierig war ich schon. Und ich habe mir Sorgen um sie gemacht, deswegen habe ich sie im Auge behalten. Aber nichts geschah. Sie ging einfach über die Straße und sagte irgendwas zu ihm. Dann kam sie wieder in die Galerie und ging nach unten.«
»Was hat der Mann dann getan?«
»Er blieb noch einen Moment sitzen, dann stand er auf und ging.«
»Er ist nicht wiedergekommen?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Wann war das?«
»Kurz bevor ich aufgehört habe. Anfang Dezember, glaube ich.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Ja. Ja, das kann ich. Er war sehr groß. Ich bin gut einsfünfundsiebzig - mit Schuhen -, und er war größer als ich. Er hatte sehr kurze und sehr blonde Haare und wirklich außergewöhnliche Augen. Sie sind mir am meisten aufgefallen.«
»Warum?«
»Sie waren von einem ganz hellen Blau, wie bei diesen Hunden. Sie wissen schon, Huskys.«
»Gab es noch etwas?«
»Also, ich glaube, sie hat mal gesagt, dass er Polizist ist, es kann aber sein, dass ich mich da irre.«
Während Amanda sprach, fiel Donovans Blick auf die Postkarte von Simon Turner. Jetzt wusste sie, woran sie sie erinnert hatte. Es war seine Handschrift; dieselben ausgeprägten, nach
hinten kippenden Buchstaben, die sie auf der Karte an Rachel Tenison gesehen hatte. Nur die Tinte hatte eine andere Farbe. Das hatte sie verwirrt. Sie dachte an die Worte und den besessenen, klagenden Tonfall. Es war, als hätte jemand am Radio gedreht, auf einmal war das Rauschen weg, und alles war scharf und klar.
Ihr blieb beinahe das Herz stehen. »Polizist?« Sie hörte sich kaum selbst.
»Ja. Oder Detective«, plapperte Amanda am anderen Ende. »Als ich sagte, ich würde die Polizei rufen, hat Rachel gelacht und gesagt, das hätte wenig Sinn. Sie sagte, es wäre wie Eulen nach Athen tragen. Vielleicht meinte sie, er ist ein Privat detektiv und passt auf sie auf.«
»Erinnern Sie sich an seinen Namen?« Simon. Simon Turner. Während sie darauf wartete, dass Amanda es sagte, sah sie ihn in Gedanken nur ein paar Meter entfernt in ihrem Wohnzimmer sitzen und Champagner schlürfen. Was, zum Teufel, sollte sie tun? Ihre Hand mit dem Telefon zitterte, und sie lehnte sich Halt suchend an die Wand. Sie musste versuchen ruhig zu bleiben, bis das Telefongespräch beendet war.
»Nein, ich bin mir sicher, dass sie ihn nie erwähnt hat.«
»Aber Sie würden ihn wiedererkennen, wenn Sie ihn sehen?«
»Ich denke schon. Wenn er allerdings in einem Raum mit einem Haufen Skandinavier wäre, bin ich mir nicht so sicher.«
»Wissen Sie, wo die beiden sich kennengelernt haben?«
»Nein. Warten Sie einen Moment.« Donovan hörte eine Männerstimme am anderen Ende im Hintergrund, dann war Amanda wieder dran. »Es tut mir leid, aber eben sind Kunden gekommen, und ich muss Schluss machen. Wollten Sie noch etwas wissen?«
»Ich glaube, das war es erst mal. Wir brauchen von Ihnen
aber noch eine offizielle Aussage. Einer meiner Kollegen wird Sie morgen anrufen.«
Donovan versuchte, sich zu konzentrieren, dankte Amanda dafür, dass sie sich Zeit genommen hatte, und legte auf.
Als sie das Handy zuklappte, hörte sie Turners Stimme direkt hinter sich.
»Ich komme mit dem Nachschub.«
Sie wirbelte herum und starrte ihn an.
Er hatte die Flasche und sein volles Glas in den Händen. »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er und stellte die Flasche auf den Tisch. Er musterte sie.
»Alles in Ordnung, Sam? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
Dreiunddreißig
Mit dem Gefühl, als wäre ihr alle Luft zum Atmen genommen, starrte Donovan Turner wie blind an. Sie konnte nicht klar denken. Nicht klar sehen. Bilder aus dem Holland Park und von Rachel Tenisons Körper auf Knien im Schnee schossen ihr durch den Kopf, gefolgt von den Fotografien aus der Akte über den Catherine-Watson-Fall, Turners Fall.
»Sprich mit mir, Sam. Was ist los?«
Seine Stimme holte sie schlagartig in die Gegenwart zurück. Sie betrachtete die angenehmen, vertrauten Züge, registrierte den Ausdruck ehrlich gemeinter Wärme und Besorgnis. Simon Turner ein Mörder? War das möglich? Es
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