Wer Böses Tut
er nackt unter die Decke kroch.
Vier
Um kurz nach sieben am nächsten Morgen manövrierte Donovan ihren blauen VW Golf in eine Parklücke auf dem kleinen Parkplatz hinter dem Büro des Morddezernats in Barnes und stellte den Motor ab. Als sie ausstieg, sah sie, wie dunkel der Himmel war, aber wenigstens schneite es im Moment nicht. Sie war spät dran. Als der Wecker um sechs klingelte, war sie nur schwer wach geworden. Von ihrer Wohnung in Hammersmith waren es gerade mal zehn Minuten mit dem Auto nach Barnes, wenn sie die Hammersmith Bridge über die Themse nahm. Im Sommer radelte sie oft zur Arbeit, an den grünen Sportplätzen der St. Paul’s Boys’ School vorbei und dann am Fluss entlang bis nach Barnes. Aber im Winter kam es nur darauf an, so schnell wie möglich ins Büro zu gelangen.
Der flache Büroblock aus den Siebzigerjahren lag zur Hälfte an der Station Road, die die Grünfläche mit ihrem pittoresken Ententeich und den Häusern aus dem achtzehnten Jahrhundert mit der Wildnis des Stadtparks von Barnes verband. Das Gebäude war ein Schandfleck in einem sehr begehrten Teil Londons, der nur ein paar Meilen vom Zentrum entfernt lag und doch das Gefühl vermittelte, in einem alten Dorf am Fluss zu leben. Hier wohnte eine gut betuchte Mischung aus Ärzten, Zahnärzten, Anwälten und Medientypen, darunter auch einige bekannte Schauspieler, und es war ein merkwürdiger Standort für zwei Morddezernate der Londoner Polizei, zumal man sie eigentlich nie anforderte, um ein Tötungsdelikt in diesem Bezirk zu untersuchen.
Ein eiskalter Wind pfiff Donovan um die Ohren, als sie aus dem Auto ausstieg, und wehte ihr den Schal schmerzhaft in die Augen. Sie warf sich die schwere Tasche über die Schulter, zog ihren Mantel eng um sich und hastete durch die Hintertür und die Treppen hinauf in den ersten Stock.
In dem weitläufigen, zur Straße gelegenen Großraumbüro hatte die Morgenbesprechung gerade begonnen. Der Raum war übervoll, und sie ließ sich auf einem Schreibtisch im hinteren Teil nieder, neben Nick Minderedes, dessen dickes, schwarzes Haar noch nass vom Duschen war und der sich an einem dampfenden Becher Kaffee die Hände wärmte. Tartaglia stand an der Stirnseite, die Tafel hinter ihm zeigte bereits eine Karte vom Holland Park und Fotos vom Opfer. Ihrer aller Chefin, Carolyn Steele, saß neben ihm, in ihrer üblichen Uniform, einem einfachen, dunklen Hosenanzug - heute zur Abwechslung mit angedeuteten Nadelstreifen - und der frischen, weißen Bluse. Sie sah erfrischt aus, als hätte sie die ganze Nacht geschlafen, ihr kurzes dunkles Haar glänzte wie immer, ihr Gesicht zeigte keine Regung, während sie Detective Constable Karen Feeney zuhörte, die die Ergebnisse der Befragungen des vergangenen Abends zusammenfasste.
»Der Parkwächter sah sie am Freitagmorgen in den Park gehen, kurz nachdem das Tor geöffnet worden war«, sagte Feeney gerade. »Er war sich sicher, dass sie allein war. Er sagte, dass er sie beinahe jeden Morgen gesehen hat. Anscheinend war sie oft schon da und wartete darauf, dass er das Tor aufschloss. Sie lief immer denselben Weg, sagte er, der genau an der Stelle vorbeiführt, wo ihre Leiche gefunden wurde.«
»Hat er sonst noch jemanden gesehen?«, fragte Tartaglia.
»Nein, Sir. Aber er sagte, es war so kalt, dass er nicht lange draußen blieb.«
»Nun, wenigstens haben wir jetzt einen Anfang, und es ist
wahrscheinlich, dass sie im Park getötet und dort liegen gelassen wurde.« Er schaute zu Detective Constable Dave Wightman, der mit dem Notizbuch in der Hand vor der Gruppe stand.
»Okay, Dave, was haben Sie für uns?«
Wightman, der Neuling im Team, war blond, klein und untersetzt, trug eine Brille und hatte ein jungenhaftes Gesicht. »Auf den Überwachungskameras ist bis jetzt nichts, Sir«, sagte er. »In der unmittelbaren Umgebung gibt es keine Kameras, aber wir haben alles aus der Gegend und arbeiten das Material durch.«
»Was ist mit der Türkamera?«
»Sie schaltet sich immer dann ein, wenn jemand läutet, aber man weiß nicht, welche Klingel die Kamera aktiviert hat. Das Filmmaterial zeigt nur einen kontinuierlichen Strom von Menschen, die an die Tür kommen.«
»Wie viele Wohnungen gibt es in dem Gebäude?«, fragte Steele mit der für sie typischen leisen, flachen Stimme.
»Über vierzig, Ma’am. Es wird eine Weile dauern, bis wir alle Besucher ausgeschlossen haben.«
»Wenn Sie Hilfe brauchen, holen Sie sich die hiesigen Polizisten dazu«,
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