Wer Böses Tut
gar nicht. Es ist eine Schande, dass Greville so wenig darüber weiß, was sie außerhalb der Galerie tat. Er hat sie wahrscheinlich öfter gesehen
als jeder andere; aber er ist ein Mann, und er war ihr Liebhaber. Sie hat ihm bestimmt nicht alles erzählt.«
»Was ist mit der Assistentin - ich meine die, die bis vor ein paar Monaten in der Galerie gearbeitet hat? Es muss doch Anrufe gegeben haben, Nachrichten, Dinge, die eine Frau aufschnappt.«
»Nick kümmert sich darum«, sagte Donovan. »Galerieassistentinnen scheinen im Moment seine Spezialität zu sein.«
Die plötzliche Schärfe in ihrem Ton ließ ihn aufhorchen. Er sah sie aufmerksam an. Ihre großen grauen Augen und schmalen, hübschen Gesichtszüge schienen ungerührt, doch er wusste, dass mehr dahintersteckte.
»Alles in Ordnung?«
Sie schaute weg und nickte, griff nach ihrem Glas und ließ sich den letzten Schluck in den Mund rinnen.
»Komm schon, Sam. Was ist los?«
Sie stellte das Glas ab und zuckte mit den Schultern. »Er ist einfach ein blöder Wichser, das ist alles.«
»Wer? Nick?« Er ging im Geiste schnell die begrenzten Möglichkeiten durch. Wie er Minderedes kannte, war es wahrscheinlich das Übliche oder eine Variation des Themas. »Du und Nick? Aber -«
Zornig sah sie auf und verschränkte fest die Arme vor der Brust. »Natürlich nicht! Ich würde den Schuft nie anrühren, selbst wenn er der letzte Mann auf Erden wäre! Lieber sterbe ich.«
»Was ist dann passiert?«, fragte er, erstaunt über die Wucht ihrer Reaktion. Minderedes konnte, gelinde gesagt, ein nervtötender Fiesling sein, besonders gegenüber Frauen, aber Donovan ärgerte sich eigentlich selten über ihn.
Schweigend presste sie die Lippen zusammen, und plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen.
»Sam, bitte erzähl es mir. Was hat er getan? Du kannst es mir erzählen, das weißt du. Egal, was es ist.«
Die Türen zum Hinterzimmer wurden aufgestoßen, die Jazzsession war vorbei, und die Leute strömten in die Bar. Donovan murmelte etwas, was Tartaglia nicht verstand. Sie senkte den Kopf, und er bemerkte, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen, sah, wie eine auf ihrem Handrücken landete. Er hatte nach wie vor keinen Schimmer, was los sein könnte, stand verwundert auf und ging um den Tisch herum. Seine Jacke beiseiteschiebend, rutschte er auf die Bank neben sie, legte den Arm um sie und schützte sie mit der Schulter vor den Blicken der Leute.
»Hey. Das passt gar nicht zu dir«, sagte er und reichte ihr seine unbenutzte Serviette. »Was zum Teufel ist denn los?« So hatte er sie noch nie gesehen, kannte sie nur zuverlässig und immer gut gelaunt, bis auf die dunklen Tage nach dem Bräutigam-Fall, als er eine andere Seite erahnt hatte. Damals hatte sie sich in sich selbst zurückgezogen, war total verschlossen und unerreichbar gewesen und hatte jede Hilfe und jede Beratung abgelehnt. Aber diese Phase schien vorbei zu sein.
» Möchtest du darüber reden?«, fragte er beinahe flüsternd, so dicht war er an ihre Seite gerückt.
Nach einer Weile nickte sie. Sie putzte sich die Nase und lehnte ganz leicht den Kopf an seinen Arm. Wie außergewöhnlich, dass sich an einem Abend gleich zwei Frauen an seiner Schulter ausweinten, schoss ihm durch den Kopf, und einen Moment lang fühlte er sich auf unangenehme Weise wieder an Liz Volpe erinnert.
»Also, was ist los?« Er drückte ermutigend Donovans Arm. »Spuck’s aus.«
Sie atmete scharf aus. »Er hat sich an Grevilles Assistentin rangemacht, das ist alles.«
»Und das regt dich so auf?«, fragte er verdutzt.
»Nein«, sagte sie mit fester Stimme, rutschte unruhig auf der Bank hin und her und putzte sich noch einmal die Nase. »Ich hab doch gesagt, dass mir der Idiot scheißegal ist. Es war etwas, das er gesagt hat, als ich ihn aufforderte, sich anständig zu benehmen. Er... er...« Sie verzog den Mund und schüttelte den Kopf.
»Was denn?«
Sie holte tief Luft. »Also, er sagte, ich hätte gut reden. Ich «, fügte sie mit Nachdruck hinzu, wandte sich ihm zu und sah zu ihm auf. »Ich hätte ihm beinahe eine reingehauen.«
Tartaglia konnte ihr immer noch nicht ganz folgen. Dann dämmerte es ihm. »Du meinst, wegen -?«
»Wegen Tom. Genau«, unterbrach sie ihn, ehe er den richtigen Namen des Mörders aussprach, als machte es die Sache leichter, wenn sie seinen Decknamen benutzte. Verblüfft über Minderedes’ Mangel an Sensibilität - was sogar für seine Standards außergewöhnlich war -, fühlte
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