Wer Böses Tut
dauert es höchstens fünf Minuten. Das ergibt einen Spielraum von über einer halben Stunde.«
Es klopfte an der Tür, und Sharon Fuller steckte den Kopf herein. »Entschuldigung, dass ich unterbreche, Sir. Aber ich hatte gerade einen Anruf von einem Nachbarn von Rachel Tenison. Er sagte, dass er letzten Freitagabend jemanden aus ihrer Wohnung kommen sah.«
»Freitag? Ist er sich sicher?«
»Er behauptet es. Er wohnt auf dem Gang gleich gegenüber.«
»Warum hat er sich nicht früher gemeldet?«
»Er war geschäftlich unterwegs und ist erst heute Morgen zurückgekommen.«
»Als wir am Sonntagabend dort waren, gab es keinerlei Hinweise auf einen Einbruch, obwohl ihr Laptop und ihr Handy verschwunden sind. Wer hatte sonst noch Schlüssel zu der Wohnung?«
»Nur ihr Bruder und die Putzfrau«, sagte Donovan.
»Nun, dann überprüft noch mal, wo sie am Freitagabend waren. Das klingt so, als hätte da jemand den Laptop und das Handy mitgenommen.« Er dachte daran, wie sie die Wohnung vorgefunden hatten. Ordentlich aufgeräumt, alles an seinem Platz, keinerlei Hinweis darauf, dass irgendjemand die Wohnung durchsucht hatte. »Wenn es von den beiden keiner war, bedeutet das, der Mörder hat der Leiche den Schlüssel abgenommen. Wir müssen herausfinden, ob noch etwas fehlt.«
Sechzehn
Die Hände tief in den Manteltaschen, die Füße in den Stiefeln mit den dicken Sohlen leicht auseinandergestellt, blieb Liz Volpe einen Augenblick lang im Gang vor Rachels Wohnung stehen und starrte auf die neue Stahltür, die den Eingang schützte. Bei dem Gedanken, was wohl mit der schönen, alten Holztür geschehen war, überfiel sie ein unbehagliches Gefühl. Wenigstens sah alles andere vertraut aus; der Teppichboden, die Tapete, sogar der große, unerklärliche Kratzer links neben Rachels Tür war noch da, und der ewige Geruch nach Putzmittel. Aber sie fürchtete sich davor hineinzugehen; so viele Erinnerungen waren zwischen den Wänden gefangen und das unangenehme Echo dessen, was vor drei Monaten hier geschehen war. Wieder und wieder hörte sie Rachels Stimme, jene grausamen Worte, in ihrem Kopf.
Nach einigen tiefen Atemzügen hob sie die Hand zum Klopfen. Sie hatte kaum das Geräusch ihrer Knöchel auf dem Metall gehört, da flog die Tür auf, und Tartaglia stand vor ihr.
»Da sind Sie ja«, sagte er, als wüsste er, dass sie schon eine Zeitlang dort gestanden hatte. Er trat zurück, um sie hereinzulassen. »Es tut mir leid, Sie hierher bemühen zu müssen, aber es wurde jemand gesehen, wie er aus Miss Tenisons Wohnung kam. Wir müssen herausfinden, ob etwas fehlt.«
»Und wie soll jemand da durchgekommen sein?«, fragte Liz mit einem Blick zur Tür.
»Sie wurde am Sonntag eingebaut. Der Eindringling wurde am letzten Freitagabend gesehen.«
»Sind Sie sicher, dass es diese Wohnung war? Von außen sehen sie alle gleich aus.«
»Definitiv«, sagte DS Sam Donovan, die hinter ihnen aus dem Wohnzimmer kam und Liz Volpe mit einem warmen Lächeln begrüßte. »Ich habe den Mann, der den Eindringling gesehen hat, gerade vernommen. Er wohnt direkt gegenüber und war sich absolut sicher.«
Sie ist hübsch, dachte Liz, mit ihren schmalen, regelmäßigen Zügen, der wunderbaren Haut und den großen, grauen Augen, auch wenn sie ihre Weiblichkeit hinter diesen schrecklich kurzen Haaren und den androgynen Kleidern versteckt. Heute trug sie eine leuchtend rote Bluse und schwarze Hosen mit Hosenträgern zu Doc Martens. Ihr Mantel und ihre Tasche hingen über ihrem Arm, anscheinend wollte sie gerade gehen.
»Wie hat er ausgesehen?«, fragte Liz.
»Dem Zeugen zufolge war er schlank und zwischen einsfünfundsiebzig und einsachtzig groß«, antwortete Donovan. »Er trug eine weite Jeans, Turnschuhe und eine Art Anorak mit einer Kapuze, die er über den Kopf gezogen hatte. Der Nachbar konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen.«
»Der Zeuge macht gerade ein Phantombild, allerdings bezweifle ich, dass es viel bringt«, sagte Tartaglia und betrachtete sie mit einem Blick, der ihr unangenehm war, als erwarte er, dass sie wüsste, wer der Eindringling war. Als sie sich abwandte, sah sie ihr blasses, erschöpftes Gesicht im Flurspiegel. Wenn sie doch nur eine Nacht durchschlafen könnte. Aber sie wachte ständig auf, und wenn sie schlief, träumte sie nur von Rachel.
»Ich gehe dann mal, Mark«, sagte Donovan zu Tartaglia. »Wo erreiche ich dich später?«
Er schaute auf die Uhr. »In ungefähr einer Stunde wahrscheinlich
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