Wer braucht denn schon Liebe
doch Lorenzo wich ihr geschickt aus.
»Warum hält Kevin Sie für einen Eisschrank? Ich bitte Sie!« Am Hofe kam ein solcher Satz aus Lorenzos Mund einem Befehl gleich. Doch in Karens Ohren klang er nach billiger Erpressung.
»Sie sind wirklich der mieseste Typ, der mir je untergekommen ist. Aber gut: Er findet, mir fehlt beim Sex – die Leidenschaft.« So, nun war es raus. Karen errötete heftig, als sie seinen prüfenden Blick auf sich fühlte.
»Und, hat er Recht?«
»Natürlich nicht!«, empörte sie sich. Sie zögerte erneut, bevor sie weitersprach. Doch ein Blick in Lorenzos Augen verriet ihr, dass er nicht eher Ruhe geben würde, bis er auch das letzte Detail des demütigenden Endes ihrer Beziehung zu Kevin aus ihr herausgeholt haben würde. Also war es wahrscheinlich besser, ihm gleich so viel zu erzählen, wie sie wirklich erzählen wollte. Aber auf keinen Fall mehr.
»Sie als Italiener können das wahrscheinlich nicht verstehen …«, begann sie.
»Haben Sie eigentlich einen Knoten in Ihrem Hirn?«, brauste er auf. »Erstens bin ich kein Italiener …«
»Sind Sie nicht?«, hakte sie sofort verblüfft ein.
»Nein«, entgegnete er knapp. »Aber wir leben in einem vereinten Europa. Zumindest sind wir auf dem besten Weg dorthin. Wir zahlen alle mit der gleichen Währung, Sie sind Gast dieses Landes, und trotzdem servieren Sie mir hier ein Vorurteil nach dem anderen. Ich hätte Sie wirklich für intelligenter gehalten!«
Karens Gedanken flogen zu Federico, der großen Liebe ihrer Mutter, dem diese bis in sein Heimatland Italien gefolgt war – und für den sie ihr eigenes Kind aufgegeben hatte. »Schlechte Erfahrungen haben wenig mit Intelligenz zu tun«, konterte sie kühl.
»In Ihrem Leben scheint sich eine schlechte Erfahrung an die nächste zu reihen. Haben Sie sich mal gefragt, woran das liegt?«, spottete er überheblich.
»Und haben Sie sich mal gefragt, warum Sie Ihr Leben im Gefängnis und auf der Straße verbringen? Obwohl Sie doch sooo ein toller Psychologe geworden wären?!« Seine herablassende Art mobilisierte in ihrem Kopf das komplette Birkenbühl-Selbstbehauptungsprogramm für Frauen.
Lorenzo lag eine schnelle Antwort auf der Zunge, doch die schluckte er lieber hinunter. Stattdessen rief er sich zur Ordnung. Er ließ sich ohnehin schon viel zu sehr auf diese launische kleine Person ein, die ihm gerade mal bis unter die Achseln reichte. Vorhin war in seinem Kopf doch noch alles ganz klar gewesen: Seine einzige Aufgabe bestand darin, zu verhindern, dass sich sein Ausflug in die Normalität herumsprach. Doch irgendwie schaffte sie es, ihn immer wieder aus dem Konzept zu bringen. Finster blickte er auf sie herab.
Was Karen selbstbewusst als klaren Punktsieg für sich verbuchte. Auffordernd hielt sie ihm die Hand mit der Handfläche nach oben hin. Doch Lorenzo schüttelte bloß finster und stur den Kopf.
Unter normalen Umständen hätte Karen ihn sein kleines Machtspielchen alleine spielen lassen. Doch bis zum nächsten Ort waren es Luftlinie mindestens noch vier Kilometer. Außerdem war Sonntag. Wer garantierte ihr, dass die Geschäfte geöffnet waren. Mal ganz davon abgesehen, dass sie keinen Cent mehr in der Tasche hatte, den sie für Essbares hätte ausgeben können.
»Wissen Sie was? Behalten Sie Ihr Brot und leihen Sie mir stattdessen ’ne Mark«, rutschte es ihr heraus.
»Euro, meine Gnädigste, Euro.«
Karen feuerte eine ganze Salve Blitze durch ihre zusammengekniffenen Augenlider. »Ich mag Ihre Art nicht«, erklärte sie hoheitsvoll.
»Und Kevin mochte offenbar Ihre nicht.« Sein hundsgemeines Grinsen schlug in pures Unbehagen um, als er ihrem waidwunden Blick begegnete. Ihre großen Augen schwammen in Tränen, und zu seinem Entsetzen begann tatsächlich auch noch ihre Unterlippe zu zittern.
Lorenzo fühlte, wie es ihm kalt den Rücken runterlief. Erinnerungen stiegen in ihm hoch. An die Unterwerfungsrituale seiner Jugend. Die Tränen seiner Mutter gehörten dabei wohl zu den perfidesten Methoden, die sie sich ausdachte, um seine Disziplin zu erzwingen. Sobald er sich aufsässig zeigte, begann sie zu weinen. Und wenn er zu ihr hinging, um sich bei ihr zu entschuldigen und sie mit seinen Küssen zu trösten, versetzte sie ihm eine schallende Ohrfeige. Manchmal auch zwei. Zur Strafe, weil er ihr vertraut hatte: Der zukünftige Fürst von San Marcino traute niemandem außer sich selbst.
Sie hatte gründliche Arbeit geleistet.
Doch Lorenzo war das Spiel nun leid. Er
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