Wer braucht denn schon Liebe
sie sich einsam und unvollständig. Ohne ihn – Himmel, er war es tatsächlich.
»Lorenzo!«, rief Karen freudestrahlend und winkte. Bereits beim ersten Klang ihrer Stimme hob er überrascht den Kopf.
»Lorenzo, endlich! Ich bin so froh, dich zu sehen.«
»Das klang heute Mittag aber noch völlig anders.« Der harte Klang seiner Stimme brachte sie abrupt zum Stehen. Er war doch nicht immer noch wütend auf sie?
Karen befand sich nun nur noch wenige Schritte vom Flussufer entfernt. Ihre Augen wurden wie magisch von dem Bündel seiner Kleider angezogen, das in unmittelbarer Nähe im Gras lag.
»Komm, Lorenzo, sei nicht eingeschnappt. Ich war müde. Wir waren beide müde. Du ahnst ja nicht, was mir seitdem alles passiert ist …«
»Hör zu, bevor du weiterredest«, unterbrach er sie grob. »Es ist wirklich besser für dich, wenn wir uns trennen. Ich möchte dich nicht verletzen, aber wir beide passen einfach nicht zusammen. Wir sind grundverschieden. Zwischen uns ist der Ärger vorprogrammiert.«
»Klingt, als ob du über eine Beziehung nachgedacht hast.«
»Siehst du, das meine ich. Ich stelle ganz simpel fest, dass unsere Charaktereigenschaften sich stärker nicht unterscheiden könnten. Und du machst daraus gleich ein Beziehungsdrama. Ich kann das nicht ausstehen.« Wütend starrte er zu ihr herüber. Und mit offenem Mund starrte sie zu ihm zurück.
Was ihr nicht unbedingt ein intelligenteres Aussehen verlieh. Aber ungeheuer sexy wirkte. So sexy, dass Lorenzo über jeden Zentimeter Wasser froh war, der ihm über die Hüfte reichte.
»Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb du so wütend bist«, sagte sie jetzt und setzte ihren Männer mordenden Unschuldsblick auf ihn an.
Ehrlich gesagt, verstand er es auch nicht.
Als sie sich am Mittag nach ihrem Streit in Pagani, den er, wie er zugab, zum Teil selbst provoziert hatte, trennten, war er einfach bloß froh gewesen, die ständigen Auseinandersetzungen mit ihr hinter sich zu haben. Einem Prinzen Emanuel Lorenzo, dem Erben und Thronfolger des Fürstentums San Marcino, begegnete man mit Respekt. Vor allem widersprach man ihm nicht. Und falls doch, dann in angemessener, höflicher Form. Auf gar keinen Fall sagte man ihm, er solle sich zum Teufel scheren.
Das war absolut indiskutabel.
Zehn Minuten später, als die erste Wut verraucht war, bestätigte er sich, in jedem Fall richtig entschieden zu haben. Für ihn und Karen konnte es keine gemeinsame Zukunft geben, deshalb war es besser, die Finger voneinander zu lassen.
Zu ihrem Schutz.
Zu seinem Schutz.
Weitere zehn Minuten später erkannte er, dass es ihn kränkte, wenn sie so leichtherzig meinte, fortan ohne ihn auskommen zu können. Sie hatte ihn nicht einmal gebeten zu bleiben.
Und noch einmal zehn Minuten später fragte er sich, warum, verdammt noch mal, er sich in Gedanken immer noch mit ihr beschäftigte, obwohl er sie doch längst für sein weiteres Leben abgehakt hatte.
Es war einzig und allein eine Frage sexueller Anziehung, entschied er. Diese kleine Person mit den üppigen Brüsten und den runden Hüften über den so verlockend wohlgeformten Beinen übte mit jeder Sekunde, die er mit ihr verbrachte, eine stärkere, fast magische Faszination auf ihn aus. Er versuchte es darauf zu schieben, dass sie ihn mit ihren unbändigen roten Locken verteufelt stark an seine Lieblingsvorfahrin Ines Teresa erinnerte. Zu deren Bildnis hatte er sich als Kind schon immer geflüchtet, wenn die Wirklichkeit ihn einholte. Sie war eine stolze, unabhängige Frau, die es im 17. Jahrhundert nach dem Tod ihres Mannes sogar mit Piraten und den Truppen des italienischen Königs aufgenommen hatte, um das kleine Fürstentum vor dem Zugriff durch Dritte zu retten. Später wurde sie dann zur Persona non grata, weil sie sich leider auch den Luxus geleistet hatte, einen Großteil der am Hofe lebenden Männer mit Syphilis auszulöschen.
»Sagst du es mir nun oder nicht?«, rief Karens Stimme ihn in die Wirklichkeit zurück. Im Gegensatz zu ihm war sie beim Thema geblieben. Der Frage, weshalb er so wütend auf sie war.
»Scher dich zum Teufel oder zieh endlich dein Kleid aus«, rutschte es ihm heraus, was ihn ärgerte. Nun würde sie denken, er wäre scharf auf sie, und dabei wusste doch jeder, dass das nicht sein konnte, weil er eigentlich mehr auf den nordischen Typ stand. Er hielt die Luft an und tauchte unter, bis das Wasser ihm über dem Kopf zusammenschlug.
Normalerweise half eine kalte Dusche, um ihn abzuregen, doch in
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