Wer braucht denn schon Liebe
dass er die Nichte des schwedischen Königs ehelichte. Staatsraison ging vor.
Luigi warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel, als Lorenzo verzweifelt aufseufzte und sein Gesicht in den Händen verbarg. Der Mann hinter ihm auf der Rückbank war nicht mehr der leichtlebige Prinz Melancholie, wie ihn die Medien betitelten. Er hatte sich verändert. Und Luigi bezweifelte, dass nur die schwere Erkrankung seines Vaters daran schuld war.
Im Krankenzimmer waren die Jalousien bis auf schmale Schlitze heruntergelassen, um den Fürsten vor der hereindringenden Sonne zu schützen. Blass und in den Wangen eingesunken, lag er in seinem Bett, die Arme dicht neben seinem Körper, an Schläuchen angeschlossen. Eine Krankenschwester, die an seinem Bett wachte, erhob sich bei Lorenzos Eintreten, grüßte ihn kurz und verließ dann das Zimmer. Lorenzo nahm es dankbar zur Kenntnis. Er würde es hassen, in Gegenwart Fremder mit seinem Vater sprechen zu müssen.
Vorsichtig trat er an das Bett. Sein Vater schien zu schlafen, deshalb konnte Lorenzo ihn in aller Ruhe betrachten. Nichts war im Augenblick von der Vitalität zu spüren, die ihn sonst ausmachte. Lorenzo suchte nach äußerlichen Spuren des Schlags. Wie ihm die Ärzte erklärt hatten, war das Sprachzentrum nur geringfügig betroffen. Die Lähmungen im Gesicht und des Körpers waren therapierbar. Eine Zeit lang würde sein Vater sich nur mit Gehhilfen fortbewegen können, doch bei intensivem Training war auf lange Sicht sogar eine Heilung möglich.
Nicht ausgeschlossen, hatten die Ärzte genau genommen formuliert, um Lorenzo nicht zu viel Hoffnung zu machen.
Alles in allem keine allzu schlechten Aussichten. Doch das, was Lorenzo wirklich Sorgen machte, war die seelische Verfassung seines Vaters. Er kannte ihn als einen lebendigen, mitunter etwas cholerischen Mann, der sich seine besondere Vorliebe für scharfe alkoholische Getränke und dicke Zigarren auch von den Ärzten nicht nehmen ließ.
»Wofür lebe ich denn, wenn ich mir selbst das verkneifen muss, was einem Mann in meinem Alter noch Spaß macht?«, pflegte er zu kokettieren. Wohl wissend, dass seine unzähligen Affären immer wieder Nahrung für das Flurgeflüster in den Gängen des fürstlichen Palastes lieferten.
»Was glotzt du mich so an, Junge. Freust du dich, dass ich dir keine Widerworte mehr geben kann?«, riss der spöttische Tonfall seines Vaters Lorenzo aus den Gedanken. Seine Sprache klang ein wenig undeutlich, trotzdem war er gut zu verstehen. Lorenzo atmete unbewusst auf. Er wollte sich neben ihm auf den Stuhl setzen, den die Krankenschwester gerade geräumt hatte, doch zu seinem Erstaunen klopfte sein Vater ungeduldig mit der Hand aufs Bett.
Lorenzo zögerte, dort Platz zu nehmen. Sein Vater war nicht gerade der Mann, der sich bislang nach der räumlichen Nähe zu seinem Sohn gesehnt hatte.
»Komm«, bat der Fürst energischer. Um ihn nicht unnötig aufzuregen, gab Lorenzo nach.
Die Augen seines Vaters wirkten verschwommen, was auch an den Medikamenten liegen konnte, die er nahm. »Du musst heiraten! Bald!«
Das Sprechen strengte ihn an. Kleine Schweißperlen glitzerten auf seiner Oberlippe. Lorenzo nahm eins der Papiertaschentücher, die neben ihm auf einem Nachttisch lagen, und tupfte sie ab.
»Ich weiß, Vater. Aber ich liebe diese Schwedin nicht.« So hatte Lorenzo sich ihre Begegnung nicht vorgestellt. Nicht mit dem Streitthema Nummer eins zwischen ihnen: seiner Vermählung.
»Du liebst niemanden«, knurrte sein Vater verstimmt. »Du gehst nur mit Frauen ins Bett.«
Seine Worte trafen Lorenzo hart, doch er beherrschte sich. Man stritt sich nicht mit einem Schwerstkranken. Der Thronfolger und zukünftige Fürst von San Marcino stritt sich auch nicht mit seinem Vater.
»Ich weiß, was du von mir hältst, Vater. Das hast du mir oft genug zu verstehen gegeben. In deinen Augen bin ich nichts weiter als ein Schwächling, dem es an Verantwortungsbewusstsein und Disziplin mangelt.«
»Selbstmitleidiges Gewäsch.« Auf der Stirn des alten Fürsten bildeten sich dicke Schweißtropfen, das Sprechen strengte ihn an.
»Es geht dir nicht gut. Lass uns ein anderes Mal darüber reden.« Aus Sorge wollte Lorenzo sich erheben, doch sein Vater hielt ihn mit der gesunden Hand am Ärmel zurück.
»Die Kassen sind fast leer …«
»Wie bei den meisten Staaten in Europa, Vater. Wir müssen sparen, den Haushalt sanieren …«
Der Alte wischte Lorenzos Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Mit
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