Wer braucht denn schon Liebe
der Schweden-Prinzessin kommen die Reichen zurück. Und mit ihnen das Geld.« Lorenzo war nahe daran, nach dem Arzt zu klingeln, als er sah, wie schwer sein Vater atmete.
»Glaub mir, mein Sohn«, flüsterte der alte Fürst so leise, dass Lorenzo sich dicht zu seinem Ohr hinab beugen musste. »Liebe ist nur ein Gefühl. Was zählt, ist der Staat. Heirate.«
Wut wallte in Lorenzo auf, doch er schluckte seine Entgegnung hinunter. Erschöpft hatte sein Vater die Augen geschlossen. Was würde Lorenzos Protest in diesem Augenblick nützen?
»Ja, Vater«, sagte er und verließ den Raum.
»Er wird nicht eher locker lassen, bis ich mit der Schwedin vorm Altar stehe.« Missmutig biss Lorenzo auf seinem Strohhalm herum. Wie schon so oft zuvor stiegen er und Antonio gemeinsam den Steilpfad hinab, der den fürstlichen Palast mit dem Strand verband. Doch dieses Mal fehlte ihm jeder Blick für die atemberaubende Schönheit der Landschaft.
»Liebst du sie?«, fragte Antonio ruhig.
Zornig kickte Lorenzo mit dem Fuß einen Kieselstein über die Klippe. »Ich kenne sie ja nicht einmal.«
»Du bist der Thronfolger von San Marcino. Du wirst dich der Staatsraison beugen müssen.«
»Mmh.«
Schweigend wanderten die beiden Männer nebeneinander her, jeder in seine Gedanken verstrickt. Doch kaum hatten sie den ersten Schritt in den feinen Sand gesetzt, begann Antonio plötzlich über das ganze Gesicht zu strahlen. »Ein Gutes hat die Sache ja: Wenn du die Schwedin heiratest, nehme ich die Deutsche. Mir gefällt sie nämlich auch sehr gut, und Standesunterschiede spielen bei uns keine Rolle. Leider fällt mir ihr Name nicht mehr ein.« Im nächsten Moment traf Lorenzos Faust ihn krachend am Kinn.
»Sie heißt Karen, und ich liebe sie, und wenn du es auch nur wagst sie anzurühren …« Dann breche ich dir alle Knochen im Leib, hatte Lorenzo fortfahren wollen, doch ein Blick in das vergnügte Gesicht seines Freundes brachte ihn zum Verstummen. Beschämt streckte Lorenzo ihm die Hand zur Entschuldigung entgegen.
»Du bist der raffinierteste Hund, der unter dieser Sonne frei herumläuft. Aber du hast Recht: Ich werde um Karen kämpfen. Ich habe da auch schon eine Idee …«
Elf
»Meine einzige Enkelin und vorbestraft! Ich kann schon hören, wie die Nachbarn sich über uns das Maul zerreißen!« Wenn Großmutter Käthe sehr aufgeregt war, griff sie gerne zu einer drastischeren Ausdrucksweise.
»Hättest du mal auf mich gehört, dann wäre dir dieser ganze Schlamassel erspart geblieben«, fügte sie in einem Ton hinzu, der vor Rechtschaffenheit triefte. Grund genug für Karen, sie endgültig von dem Sockel zu stoßen, auf den sie sie selbst vor vielen Jahren gehoben hatte.
»Um wen geht es hier eigentlich? Um mich oder um dein Ansehen bei den Nachbarn?«, fauchte Karen ihre Großmutter auf eine Art an, wie sie es früher nie gewagt hätte.
»Um dich, natürlich. Mein ganzes Leben lang habe ich immer nur dein Bestes gewollt. Du willst doch bloß von deiner Verhaftung ablenken!«, entrüstete sich die alte Frau, doch an ihrem flackernden Blick konnte Karen ablesen, dass sie zwar tapfer kämpfte, sich bei dieser Diskussion aber nicht sehr wohl in ihrer Haut fühlte.
»Dann nenn mir den Grund. Versuch mir zu erklären, warum du mir den Tod meiner eigenen Mutter verschwiegen hast.« Die Frage hörte sich in ihren Ohren merkwürdig gespreizt an, doch ihr fiel nicht ein, wie sie es anders formulieren konnte.
»Deine Mutter war ein Flittchen!«, entfuhr es ihrer Großmutter verächtlich.
»Sie war deine Tochter!«, erinnerte Karen sie erschrocken.
»Du warst ihr keinen Pfifferling wert. Ohne Skrupel hat sie dich im Stich gelassen, um diesem dahergelaufenen Papagallo in sein verlaustes Italien zu folgen.« Ihre Augen hatten sich zu zwei kleinen schwarzen Knöpfen zusammengezogen, die Karen nun böse anfunkelten. Mit ihren Fragen hatte Karen Dämme zum Einsturz gebracht, über deren Trümmer sich nun jahrzehntelanger Hass und angestaute Wut den Weg ins Freie bahnten.
Instinktiv wich Karen vor ihr zurück. Doch sie sah keine andere Möglichkeit, als diesen Kampf auszufechten, wenn sie sich jemals wieder offen in die Augen sehen wollten. »Du lügst mich schon wieder an«, erklärte sie ruhig. »Mutter wollte heiraten und mich zu sich nach Italien holen, doch du warst dagegen. Vielleicht könnte sie heute sogar noch leben, wenn du dich nicht geweigert hättest, mich zu ihr zu bringen.«
Statt unter dieser ungeheuerlichen Anschuldigung
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