Wer braucht schon Liebe
Mein Haus ist dein Haus«, würde sie mich beim Wort nehmen – und zwar wirklich. Abgesehen davon, dass ihre Mum nicht hier ist (sie kommen nicht gut miteinander aus), haben wir eine Köchin und eine Stylistin. Und Mike. Außerdem ist für Unterhaltung gesorgt: Fitnessraum, Swimmingpool, Tennisplatz und Whirlpool.
» Wo ist Homer?«, fragt Sarah, als wir hineingehen.
» Wahrscheinlich versteckt er sich oben vor der Stylistin.«
» Mein Gott, ich liebe dieses Haus. Wo ist sie?«
» Sie könnte was weiß ich wo sein«, sage ich deprimiert. Wieso hängt die New Yorkerin überhaupt noch hier rum?
Sarah reißt die Augen weit auf. » Meinst du, wir könnten ein Makeover von ihr kriegen?«
» Sie arbeitet eigentlich für meinen Dad.«
Sarah sieht enttäuscht aus. Aber nur kurz. » Ich weiß was! Komm, wir spielen an der Wii.« Sie wirft mir diesen Blick aus großen runden Augen zu, den sie so gut draufhat. » Das Spiel mit dem Kuhrennen ist echt lustig.«
Nach der Wii will sie in den Whirlpool. Ich bin schon lange nicht mehr drin gewesen. Allein würde ich mir komisch vorkommen. Und einsam. Wir sind tief eingetaucht, nur Kopf und Schultern gucken raus, und sehen hinauf zu den Sternen. Dampf steigt um uns herum auf. Sarahs Wangen sind rosig von der Hitze.
» Also«, sagt sie und nippt an ihrer Cola. » Rachel und Mark Delaney.«
» Die Macbeths!«
Sie setzt sich auf. » Oh mein Gott! Das ist ein super Name für sie, falls sie Ja sagt.«
Ich blinzele. » Ja zu was?«
Sie stellt ihr Getränk ab. » Mark hat Rachel zu einem Date eingeladen.«
» Was? Oh mein Gott! Wann?«
» Gestern. Hat sie es dir nicht erzählt?«
Ich spüre, wie meine Gesichtszüge entgleisen.
Sarah sieht schuldbewusst drein, als hätte sie lieber nichts sagen sollen. Sie taucht ein bisschen tiefer ins Wasser. » Er hat sie bloß gefragt. Sie hat nicht Ja gesagt oder so was.«
Sie hat es Sarah erzählt. Aber nicht mir. Es überrascht mich, wie weh das tut.
» Sie weiß nicht mal, ob sie ihn mag.«
Und ich hätte das so gern von Rachel gehört. Ich hätte mir gewünscht, dass sie hier bei uns sitzt und uns erzählt, wie sie sich fühlt und was sie tun wird. Ich habe so viele Fragen. Und sie ist nicht hier. Und das ist ganz allein meine Schuld.
» Alex. Mach dir keine Gedanken. Wahrscheinlich hat sie vergessen, es dir zu erzählen.«
» Können wir über etwas anderes reden?«
Ich hatte nicht die Kostüme für Macbeth gemeint. Aber es zeigt nur, wie verzweifelt Sarah versucht, ein anderes Thema zu finden. Andererseits ist es wahrscheinlich egal, was für ein Thema sie sich aussucht: Ich kann nur noch daran denken, wie es sich anfühlt, wenn man im Regen stehen gelassen wird, und wie oft ich das Rachel angetan haben muss.
Um Mitternacht schläft Sarah ein. Und schnarcht. Nicht laut, so wie ein Mann, sondern pfeifend und regelmäßig. Es kommt mir vor wie Chinesische Wasserfolter. Ich überstehe die Nacht, ohne dass ich sie ersticke, aber nur ganz knapp. Am Morgen fragt sie, ob Mike sie nach Hause fahren könnte, und dann ruft sie direkt vor mir ihre Mum an, um ihr zu sagen, dass sie sie doch nicht abholen muss.
» Kann ich mir dein Glätteisen ausleihen?«, fragt sie fröhlich.
Ich male mir verschiedene Methoden aus, wie man jemanden mit einem Glätteisen umbringen kann.
Sie verbringt eine Stunde vor dem Spiegel und bringt mich auf den neuesten Stand, was den Klatsch über Perez betrifft. Ich weiß, sie liebt das. Während sie mein Lipgloss » ausprobiert«, wandern meine Gedanken wieder zu Rachel. Und mein Magen verkrampft sich.
Als Sarah endlich nach Hause aufbricht, fahre ich mit. Mike mag zwar uralt sein, aber er muss trotzdem beschützt werden. Auf dem Weg zum Auto renne ich plötzlich los und bin vor ihr an der Beifahrertür. Ich fühle mich wie Bobby, Davids kleiner Bruder. Außerdem würde ich am liebsten lachen.
Mike lächelt, als ich einsteige. Aber er sagt nichts, lässt nur den Motor an.
» Wow, der Whirlpool ist klasse«, tönt es von der Rückbank.
Ich sehe aus dem Fenster.
» Haben Sie ihn schon mal ausprobiert, Mike?«
Sein » Nein« kommt heraus wie ein Husten.
Ich weiß nichts über Fußball, außer dass Mike ein Fan von Manchester United ist. Ich frage ihn, wie sie zurzeit stehen. Er lebt auf. Seine Antwort ist ein langes, langweiliges Geschwafel ohne Pausen zum Luftholen oder zum Nachdenken. Aber so kommen wir ohne weitere Unterbrechungen bei Sarah an – was natürlich der Sinn des Ganzen war.
» Tut mir
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