Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
sich, doch dann fordert die Erschöpfung ihren Tribut.
Aus einem Alptraum, in dem mich Lord McConnor gerade mit der Peitsche bearbeitet, erwache ich keuchend. Wo bin ich? Mein Schädel dröhnt so stark, dass ich ein paar Sekunden brauche, um richtig zu mir zu kommen.
Zu meinem Entsetzen blicke ich in die Augen eines fremden Mannes, der an einem Lagerfeuer in ein paar Metern Entfernung sitzt. Meine Fußfesseln wurden gelöst, also stehe ich wankend auf. Ich habe noch immer dieses verdammte weiße Kleid an, was seine lüsternen Blicke erklärt.
„Wach ist sie noch schöner, als im Schlaf.“ Wer hat das gesagt? Es kam aus der anderen Richtung.
Blitzschnell drehe ich mich um. Aus der Dunkelheit treten Männer in den Lichtkegel des Feuers. Unter ihnen sind Beliar und Junus. Die anderen Gestalten habe ich noch nie zuvor gesehen.
„Trägt sie das Mal am Handgelenk?“, will ein weißbärtiger, älterer Mann wissen.
„Nein“, antwortet Beliar. Was redet ihr da?
„Vielleicht hat sie es an einer anderen Stelle. Wir sollten nachsehen, um ganz sicher zu gehen.“ Alarmiert reiße ich die Augen auf und zerre an meinen Handfesseln.
„Halt sie fest“, befiehlt der Alte der Gestalt, die sich soeben hinter mir vom Lagerfeuer erhoben hat. Nur über meine Leiche.
Als der Kerl nahe hinter mir steht, falle ich in einen Querspagat, sodass seine, nach mir schnappenden, Hände ins Leere greifen, rolle mich rückwärts zwischen seinen Beinen hindurch und katapultiere mich hinter ihm in eine aufrechte Position. Das ging so schnell, dass ich noch genug Zeit habe, ihm den Dolch aus der Tasche zu ziehen und ihn mit aller Kraft wegzutreten, bevor er sich ganz umdrehen kann.
Er wankt vorwärts und geht in die Knie. Die Männer lachen ihn lauthals aus. Den Dolch klemme ich zwischen die Oberschenkel und schneide meine Handfesseln durch. Schützend erhebe ich die Waffe vor mir.
Ich bin so wild, dass ich sogar zittere. Die Emotionen schießen durch meinen Körper wie ein Wirbelsturm. Innerlich schreie ich meine Aggressionen in die Welt hinaus.
Ihr Lachen erstirbt mit einem Mal. Sie starren mich mit offenen Mündern an. Das macht mich doch etwas nervös. Die Wärme des Feuers brennt förmlich an meinem Rücken, da bemerke ich erst, dass der Schatten, den die Flammen auf den Boden werfen, unnatürlich aussieht. Wie Flügel. Panisch drehe ich mich um. Ein riesiger Feuerdrache züngelt aus den Flammen. Das ist ein Trick. Damit wollen sie mir nur Angst machen oder mich ablenken. Schnell wende ich mich ihnen unbeeindruckt zu. Ha, habt ihr nichts Besseres zu bieten?
„Wer war das?“, ruft der Weißbärtige. Niemand meldet sich.
„Mädchen, komm mal her“, fordert er. Ich halte den Dolch höher. Die Männer lachen mich erneut aus. Sie werden mich vergewaltigen oder mich an Lord McConnor ausliefern. Dann werden meine Alpträume wahr. Eher sterbe ich, bevor er Hand an mich legt. Ich kann nicht mehr. In einer Kurzschlussreaktion richte ich den Dolch gegen mich selbst. Ihr Lachen erstirbt schlagartig.
„
NEIN
“, brüllen Beliar und Junus synchron. Die Inbrunst, mit der sie das Wort ausgestoßen haben, erschreckt mich.
„Lass das Messer fallen Hope.“ Beliar hält mir seine ausgestreckte Hand entgegen, während er langsam auf mich zukommt. Mein ganzer Körper zittert, als er vor mir steht. Ich will nicht sterben, aber ich habe Angst vor dem Leben, das mich hier erwartet.
„Gib mir das Messer, Hope“, fordert er. Wie in Zeitlupe, greift er danach. Ich kann mich nicht rühren, so fertig bin ich. Sanft schließt sich seine Hand um meine.
„Lass los“, haucht er vollkommen ruhig. Ich liebe ihn. Die Erkenntnis trifft mich in dem Moment hart in die Eingeweide. Er ist es, den ich will. Er und kein anderer Mann.
Mit der Waffe, die ich soeben loslasse, falle auch ich zu Boden. Schnappatmend kauere ich mich über meine Knie zusammen und balle die Fäuste in mein Haar.
„Hope.“ Beliars Stimme ist nahe bei mir. Geh weg. „Beruhige dich.“ Stumm schluchzend richte ich mich auf und schreibe die Buchstaben:
M I S T K E R L
in die Erde vor mir.
Er lächelt amüsiert. Der weißbärtige Mann kommt näher. Ich weiche etwas zurück, doch Beliar beschwichtigt: „Tiberius will dir nur ein paar Fragen stellen. Er wird dich nicht berühren.“
Der Mann kniet sich schwerfällig vor mich nieder. Sogleich hält er mir eine weiße Karte hin. „Was siehst du auf der Karte, Kind?“ Wütend schlage ich sie ihm aus der Hand und
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