Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
mir eine Schere hin. Das ist absolut verrückt, aber ich reiße sie ihm ein paar Sekunden später aus der Hand und schneide mir eine Locke ab, die er mir fast aus der Hand reißt.
Daraufhin schneide ich mir mit der Schere die Fingernägel ab, die auf ein Tuch, das er mir hingelegt hat, herabfallen. Er nimmt die Schere an sich und packt eine Spritze aus.
Da ich heute schon viele Nadelstiche ertragen habe, macht mir das Blutabnehmen keine Angst mehr. So billig ist glaube ich noch niemand zu solch einer großen Tätowierung gekommen. Galahad bedankt sich und Hand in Hand verlassen Junus und ich das Studio.
„
Ich fass es nicht, dass du dir meinen Namen auf die Brust stechen hast lassen“, durchbreche ich unser Schweigen.
Junus stoppt mich und zieht mich an sich. „Ich bin so froh, dass ich dich wiedergefunden habe. Das ist meine Art, die unglaubliche Freude darüber auszudrücken.“ Ich lächle.
„
Hast du Schmerzen Hope?“, will mein Bruder wissen.
„
Ich werds überleben.“
„
Komm wir gehen heim und bereiten dich für das Ritual vor.“
„
Ich hab keine Ahnung, was du mit mir vorhast Bruder, aber ich bin dabei.“
„
Hope?“
„
Ja?“
„
Du singst unglaublich schön.“ Ich lächle.
Zurück in seiner Wohnung setzt er mich auf einen Stuhl und kramt in einer Schublade. Stolz präsentiert er eine Bürste.
„
Jetzt sag nicht, du kämmst mir die Haare?“
„
Genau das werde ich tun Schwesterchen. Und zwar so lange, bis sie glänzen. Was sie ja sowieso schon tun, also ist das hier bald überstanden.“ Ich lächle, als er unbeholfen die Bürste ansetzt und viel zu sanft über mein Haar gleitet.
„
Was für eine Lockenmähne“, stellt er fest, als er sich durchkämpft. Ja, meine Haare reichen mir bis zur Hüfte. Ich wollte sie nie abschneiden lassen. Als Kind habe ich immer geweint, wenn sie auch nur einen Zentimeter weggeschnitten haben. Heute sehe ich das lockerer, aber ich mag sie so lang.
Nach ein paar Minuten gibt er auf. „Das dürfte reichen. Jetzt zum nächsten Punkt.“ Er setzt sich mir gegenüber auf einen Stuhl und starrt mich an.
„
Starrst du mich jetzt nieder?“, will ich wissen.
„
Nein, ich suche nach den geeigneten Worten. Also, zwischen Mann und Frau kann es zu einem gewissen …“ „Stopp“, halte ich ihn zurück. Er schließt seinen geöffneten Mund wieder unverrichteter Dinge.
„
Darüber spreche ich nicht mit dir. Und wenn du jetzt mit „Das ist Tradition“ kommst, ist dieser Initiationsritus mit sofortiger Wirkung beendet“, erkläre ich.
„
Das ist … so üblich. Okay, aber wir müssen über Verhütung sprechen.“
„
Müssen wir nicht. Ich hab so ein Stäbchen im Arm stecken. Siehst du?“ Ich zeige ihm die kleine Narbe an meinem linken Oberarm, die man kaum sieht.
Das scheint ihn zu irritieren. „Du warst gestern noch fünfzehn. Du sagtest, du hattest noch nie einen Freund. Wieso hast du so etwas schon?“, wirft er mir vor.
„
Ich hatte auch noch nie einen Freund. Mum war in der Hinsicht etwas … hysterisch.“ Beim Gedanken an sie, werde ich traurig, aber ich schlucke die Tränen sauber runter.
„
Okay.“ Mein Bruder rauft sich die Haare. Anscheinend ist ihm dieses Gespräch genauso unangenehm wie mir. Im nächsten Augenblick geht er in die Küche und holt etwas aus dem Kühlschrank.
„
Jetzt trink das.“ Junus hält mir einen Becher hin, aus dem Rauchschwaden aufsteigen.
„
Du weißt schon, dass das ziemlich gruslig ist“, stelle ich fest.
Er lächelt. „Hab ich selbst gebraut“, verkündet er stolz.
„
Was ist das?“
„
Das willst du nicht wissen.“ Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch, schütte das Zeug aber sogleich in einem Zug runter. Das ist so ekelhaft, dass ich keuche.
Im selben Moment, in dem ich mich frage, warum er mir den Kübel hinhält, kommt das Zeug auch schon hoch. Während ich mir die Seele aus dem Leib kotze, hält er meine Haare zurück und streichelt mir über den Rücken.
Nachdem nichts mehr kommt, sinke ich erschöpft auf die Tischplatte.
Auf Junus‘ Hinweis: „Das nennt man innere Reinigung“, wäre ich auch durchaus selbst gekommen.
„
Für mich bitte keine innere Reinigung mehr“, verlange ich atemlos.
„
Du hast es gleich geschafft, nur noch ein Ritual, dann gehen wir tanzen.“ Tanzen. Okay.
„
Wir gehen aus?“, frage ich nach.
„
So etwas in der Art.“
„
Händigst du mir jetzt meinen Besen aus?“, spotte ich.
„
Klar und dann ziehen wir fliegend über die
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