Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer bricht das Schweigen (German Edition)

Wer bricht das Schweigen (German Edition)

Titel: Wer bricht das Schweigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janina Mantoni
Vom Netzwerk:
bin auf alles gefasst.“
      Geduldig erklärte er ihr, dass ihre Ängste unbegründet waren. „Dieser Anfall hinterlässt, im Gegensatz zu einem Herzinfarkt, keinen bleibenden Herzschaden, Frau Wagner“, versicherte er ihr. „Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich wiederholen könnte, ist gering. Ich schreibe Ihnen hier einen Spray auf, den Sie sofort anwenden müssen, falls Sie einmal das Gefühl haben sollten, dass diese Beschwerden wieder auftreten. Zur Unterstützung sollten Sie daran denken, in Zukunft mehr Gemüse und weniger Fett zu essen.“
      „ Mein Mann glaubt mir nie, dass ich wirklich krank bin, wenn ich nur mit einem Spray heimkomme“, meinte die Patientin überzeugt. „Und von Grünzeug will er schon gar nichts wissen, das werde ich wohl alleine essen müssen.“
      „ Warten Sie ab, bis ich mich mit ihm unterhalten habe, Frau Wagner. Ihr Mann wollte morgen Abend zu mir in die Sprechstunde kommen.“
      Erich Wagner war vor einigen Tagen zu ihm in die Praxis gekommen, um eine Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Dabei hatte sich herausgestellt, dass sein Cholesterinspiegel bedenklich erhöht war. Falls auch ein zweiter Test kein befriedigenderes Ergebnis brachte, musste er dem Mann dringend raten, seine Ernährungsgewohnheiten zu verändern. Aus Erfahrung wusste er allerdings, dass nur die wenigsten Menschen bereit waren, auf lieb gewordene Genüsse zu verzichten.
      „ Sie werden nicht viel Glück haben, Herr Doktor“, meinte die Patientin überzeugt. „Mein Mann ist ein Dickschädel. Seit Jahren spricht er kein Wort mehr mit unserer einzigen Tochter. Nicht einmal ins Haus darf sie mehr kommen und nur, weil sie einen Mann geheiratet hat, der ihm nicht in den Kram gepasst hat. Unser Enkel ist jetzt ein halbes Jahr alt ...“
      Der Arzt schaute verstohlen auf seine Armbanduhr. Er fand es durchaus verständlich, dass die Leute auch einmal über ihre privaten Probleme sprachen. Für ihn stand fest, dass sie oft nicht ganz schuldlos waren an so manchen Erkrankungen. Wenn er allerdings daran dachte, dass im Wartezimmer noch einige Leute saßen, die auf eine Behandlung warteten, wurde er doch ein wenig unruhig.
      Die Tür ging auf, und Lisa Krämer steckte den Kopf herein. „Frau Schaller wartet im Labor, Herr Doktor“, informierte sie ihn. „In einer Viertelstunde geht ihr letzter Bus. Oder möchten Sie ihr lieber einen anderen Termin ...“
      „ Ich bin gleich bei ihr, Frau Krämer!“, sagte er kurz. Es erstaunte ihn immer wieder, wie geschickt sie es anstellte, ihn zu seinen Pflichten zurückzuholen.
      „ Falls Sie wissen wollen, warum der Wagner damals seiner Tochter das Haus verboten hat, können Sie es auch von mir erfahren, Doktor“, begann die Haushälterin, als sie dann noch spät zusammen das Abendessen einnahmen. „Dem Mann hat Geld gefehlt, das er eigentlich beiseite gelegt hatte, um sein Haus eines Tages zu renovieren. Nicht nur einmal, sondern immer wieder musste er feststellen, dass sich jemand an seinen Ersparnissen vergriff. Wenn Sie mich fragen, das Mädchen taugt nichts“, sagte sie überzeugt. „Und die Mutter will es einfach nicht wahrhaben. Es kann aber auch sein, dass sie selbst damals der Sandra das Geld heimlich zugesteckt hat.“
      Michael tat sich noch eine Scheibe von dem Hackbraten auf den Teller. Er schmeckte hervorragend. Seine Haushälterin war einfach unschlagbar in ihrer Küche. Sie war aber auch bestens informiert über jeden Bewohner hier im Dorf.
      „ Woher wissen Sie eigentlich, über was ich mich mit Frau Wagner unterhalten habe?“, fragte er nachdenklich.
      „ Na, das war doch nicht schwer“, erwiderte sie entrüstet. „Ich war natürlich nebenan im Labor. Bei der schrillen Stimme und den dünnen Wänden hier musste ich mich nicht einmal anstrengen, um jedes Wort zu verstehen.“
      Michael konnte sich nicht erinnern, dass die Frau eine schrille Stimme hatte. Aber er wollte jetzt auch nicht länger darüber nachdenken, dazu war er viel zu müde. Seitdem er diese Praxis auf dem Land übernommen hatte, passte er sich automatisch dem Lebensrhythmus der Dorfbewohner an. Er ging abends schon früh schlafen, dafür war er aber auch schon beim ersten Hahnenschrei wach. Natürlich nur, wenn er nachts nicht noch zu einem Notfall gerufen wurde. Da er auch noch für die umliegenden Gemeinden zuständig war, kam das nicht gerade selten vor.
    * * *
      Knödel aus rohen Kartoffeln hatte sich ihr Doktor zum Mittagessen gewünscht, und

Weitere Kostenlose Bücher