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Wer bricht das Schweigen (German Edition)

Wer bricht das Schweigen (German Edition)

Titel: Wer bricht das Schweigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janina Mantoni
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stellen. Tröstend legte er seinen Arm um ihre Schulter. „Warum versuchen Sie nicht, Sozialhilfe zu bekommen? Ich kann mir denken, dass es nicht leicht ist, darum zu bitten, aber Stolz ist in Ihrem Fall fehl am Platz. Vielleicht kann man Ihnen dort auch noch andere soziale Einrichtungen nennen, die Ihnen weiterhelfen können.“
      Eine unnatürliche Ruhe ging auf einmal von ihr aus. Bedächtig tupfte sie sich die Augen trocken und meinte dann: „Ich sehe ein, dass Sie recht haben, Herr Doktor. Irgendwann muss Schluss sein.“
      Was wollte sie ihm damit sagen? Ihre Worte klangen so bedeutungsschwer, das bildete er sich bestimmt nicht nur ein. Erleichtert atmete er auf, als sie dann gestand: „Ich habe Ihre Hilfsbereitschaft ausgenützt, Doktor. Es tut mir leid. Auch Nächstenliebe hat ihre Grenzen. Das war es doch, nicht wahr?“
      Er nickte zustimmend, weil ihm der Hals auf einmal eng wurde, und er fürchtete, kein Wort herauszubringen. Es schmerzte ihn tief, dass er dieser armen, leidgeprüften Frau seine Hilfe verweigern musste.
      Ihre Hand, die sie ihm zum Abschied
    gab, f ühlte sich eisig an. „Werden Sie meinen Rat befolgen, und sich an eine soziale Einrichtung wenden, Frau Sommer?“, vergewisserte er sich.
      „ Ich weiß genau, was ich jetzt tun muss, Herr Doktor“, antwortete sie mit einem seltsamen Lächeln, während ihr Blick durch ihn hindurch zu gehen schien. „Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen.“
      Er stand am Fenster und schaute ihr zu, wie sie den alten Wagen nach mehreren Fehlversuchen endlich in Gang brachte. Ohne besondere Eile fuhr sie dann die Dorfstraße hinunter. Seine Angst war unbegründet, stellte er erleichtert fest. Ihr seltsames Verhalten hatte den Verdacht in ihm aufkommen lassen, dass sie die Absicht haben könnte, sich etwas anzutun.
      Michael wandte sich um, als er seine Haushälterin hereinkommen hörte. Ob sie etwas mitbekommen hatte? In seiner Erregung hatte er ganz vergessen, darauf zu achten, dass die Tür geschlossen blieb. Sie hatten aber auch nicht gerade leise miteinander gesprochen. Falls Frau Krämer sich nicht die ganze Zeit in der Küche aufgehalten hat, konnte sie bestimmt jedes Wort verstehen, das wir gesprochen haben.
      Mama Lisa ist wieder einmal völlig im Bild, stellte er fest, als er einen prüfenden Blick in ihr Gesicht warf. Es war hochrot vor Empörung.
      „ Sagen Sie ruhig, dass mich diese Geschichte nichts angeht, Doktor“, begann sie, „aber ich werde Ihnen trotzdem meine Meinung dazu sagen. Zufällig musste ich nämlich gerade mit ansehen, wie sie sich Ihnen an den Hals geworfen hat. Dass einmal so etwas passieren könnte, habe ich schon lange vorausgesehen.“ Sie blieb vor ihm stehen. Ihre Hände in den breiten Hüften aufgestützt, fuhr sie fort: „Nachdem Sie der Frau immer wieder so viel Geld gegeben haben, ist doch klar, dass sie annehmen musste, dass Sie sich in sie verliebt haben. Kein Mensch, außer Ihnen, würde je so etwas ohne Hintergedanken tun“, sagte sie überzeugt. „Nicht einmal ein Millionär, der plötzlich Schuldgefühle verspürt, weil er seine Mitmenschen ein Leben lang verprellt hat. Solche Geschichten erlebt man nur in Kitschfilmen. Jetzt haben Sie den Salat, Doktor Baumann“, polterte sie los. „Ihr Geld werden Sie wohl nie mehr wiedersehen. Ein Glück, dass Sie wenigstens diesmal hart geblieben sind.“
      Eigentlich müsste ich Frau Krämer tadeln, weil sie wieder einmal gelauscht hat, stellte er fest. Aber was würde mir das bringen?
      „ Sie haben ja recht, Frau Krämer“, meinte er schließlich seufzend. „Das war eine ganz üble Sache, die da eben abgelaufen ist. Ich bin froh, dass ich da noch einmal heil herausgekommen bin. Mir hätte es ja auch nichts ausgemacht, Frau Sommer noch einmal mit etwas Geld auszuhelfen. Aber woher soll ich wissen, dass es wirklich das letzte Mal ist? Ich hätte natürlich mein Konto überziehen müssen ...“
      „ Das wäre ja noch schöner“, unterbrach ihn die alte Frau erregt. „Zu den Schulden wären dann auch noch überhöhte Zinsen hinzugekommen, und das alles nur, weil Sie nicht nein sagen können, wenn Sie jemand um Hilfe bittet.“
      „ Die Frau sah so hilflos und verzweifelt aus, haben Sie das nicht auch gesehen?“ .
      „ Auf diese Tour reist sie vermutlich. Was wissen wir denn schon von ihr? Mit ihrer Hilflosigkeit bringt sie die Leute dazu, ihr Geld zu leihen.“
      „ Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass die Frau auch

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