Wer bricht das Schweigen (German Edition)
Janina war so stolz darauf, dass ausgerechnet sie beide Freundinnen waren. Es gab kein Geheimnis, das Linda nicht wissen durfte. Während die Freundin Spaß daran hatte, ständig neue Männerbekanntschaften zu machen, war Janina eher zurückhaltend. Darum stand auch ihr Herz sofort in Flammen, als sie dann Rainer, einen jungen Modefotografen kennenlernte. Sie bemühte sich immer wieder, ihren Traummann in diese Freundschaft einzubringen, aber Linda ließ sich ständig anmerken, wie tief ihre Abneigung gegen ihn war. Janina litt auch jetzt noch darunter, dass die beiden Menschen, die sie am meisten liebte, sie so schändlich hintergangen hatten. Rainer hatte Linda schon lange vorher gekannt und geliebt. Während er für sie die ganz große Liebe war, bedeutete Janina für ihn lediglich ein Sprungbrett, um sich wieder mit Linda zu versöhnen.
„ Wach auf, wir sind da, Janina“, sagte Michael lächelnd.
Wie erwachend fuhr sie sich über die Augen. „Ich war tatsächlich eine Weile weggetreten“, gestand sie, während sie ihm zuschaute, wie er den Wagen vor dem Forsthof anhielt. Er lag am Waldrand und war dafür bekannt, dass er eine gute Küche hatte.
„ Das warst du“, bestätigte er. „Ich habe dich etwas gefragt, aber leider keine Antwort erhalten, so weit weg warst du.“
„ Tut mir leid“, entschuldigte sie sich. „Was wolltest du wissen, Michael?“
„ Ob du damit einverstanden bist, dass wir in den Forsthof fahren.“ Sie schauten beide auf die Leuchtschrift über dem Eingang und begannen zu lachen. „Damit hat sich meine Frage erledigt“, meinte er nach einer Weile, als er ihr beim Aussteigen half. „Wir können aber immer noch woanders einkehren, wenn es dir hier nicht gefällt.“
„ Ich kenne den Forsthof so wenig wie irgendeine andere Gaststätte hier in der Gegend“, gestand Janina. „Darum sehe ich keinen Grund, warum wir nicht hierbleiben sollten. Seitdem ich in Diebach lebe, habe ich mir mein Essen immer selbst in meiner kleinen Küche gemacht. Nur Kleinigkeiten. Ich verstehe nicht viel vom Kochen.“
„ Dann wirst du es wenigstens richtig genießen, dich hier einmal verwöhnen zu lassen“, stellte er befriedigt fest.
Das tat sie auch. Jeder Gang, den ein Kellner servierte, war eine kleine Überraschung. Und es waren etliche Gänge, die sie im Laufe des Abends zu bewältigen hatten. Dazu gab es einen Wein, der so lieblich schmeckte, dass Janina gar nichts dagegen hatte, als Michael ihr noch einmal nachschenkte.
„ Ich bekomme noch einen Schwips, wenn ich so weitermache“, stellte sie fest.
.. “Wäre das denn so schlimm? Ich muss dir gestehen, dass ich mir manchmal wünsche, die Welt durch eine rosarote Brille sehen zu können“, sagte er ernst.
„ Wenn ich deinen Beruf hätte, würden mir auch solche Gedanken kommen. Kranken Menschen helfen zu können, ist eine schöne Aufgabe. Aber eingestehen zu müssen, dass man mit seinem Latein am Ende ist, muss sehr deprimierend sein.“
„ An letzteres denkt man nicht, wenn man sich für den Arztberuf entscheidet. Bei mir war es jedenfalls so“, sagte er nachdenklich. „Aber wir sollten das Thema besser nicht weiter verfolgen, Janina. Der Abend ist viel zu schade dafür. Ich würde so gern mehr über dich erfahren, wo du zuletzt gelebt hast, und wie es dich ausgerechnet nach Diebach verschlagen hat.“
„ Die Stelle war frei, und ich hatte Lust auf einen Neuanfang, so einfach ist das. In der Stadt habe ich mich nie besonders wohl gefühlt.“
„ Und hier gefällt es dir? Hast du nicht manchmal das Gefühl, dass du hier ausgegrenzt bist vom wirklichen Leben? In Diebach gibt es nicht einmal ein Kino.“
„ Dafür drei Wirtshäuser, in denen du dein Bier trinken kannst“, erinnerte sie ihn lachend. „Bis jetzt fühle ich mich noch sehr wohl hier. Ob das in einigen Jahren auch noch so ist, kann ich jetzt natürlich nicht sagen. Wer weiß, vielleicht zieht es mich eines Tages wieder in die Stadt zurück. Ich kenne hier noch kaum jemanden, aber das liegt sicher vor allem auch an mir.“
„ Das glaube ich auch. Ich muss nur daran denken, wie schwer ich es hatte, dich davon zu überzeugen, dass du einmal mit mir ausgehen solltest. Du bereust es doch noch nicht?“, fragte er besorgt.
„ Bis jetzt noch nicht“, erwiderte sie lachend. „Deine Frage erstaunt mich, Michael. Ich habe dich ganz anders eingeschätzt. Selbstsicher....“
„ Wolltest du nicht sagen
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