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Wer bricht das Schweigen (German Edition)

Wer bricht das Schweigen (German Edition)

Titel: Wer bricht das Schweigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janina Mantoni
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schaute er auf seinen jungen Patienten, der ihm gegenübersaß. Seine Diagnose schien den Mann ziemlich niedergeschmettert zu haben.
      „ Sie werden sich schon bald daran gewöhnt haben, dass Sie Ihre Ernährung umstellen müssen, Herr Meisner“, versuchte er den Patienten aufzurichten.
      „ Ich bin Vertreter für Futtermittel, Herr Doktor. Wissen Sie, was das heißt? Den ganzen Tag auf Achse und dazwischen eine warme Mahlzeit. Der Wirt lacht sich ja einen Ast, wenn ich ihn danach frage, ob seine Klöße auch glutenfrei sind.“
      „ Einfach wird es sicher nicht“, sah Michael ein. „Aber Sie werden schnell lernen, sich mit Ihrem Leiden zu arrangieren. Kartoffeln, Salate, sowie nur mit Butter gedämpfte Gemüse müssten Sie eigentlich überall bekommen. Dazu ein Stück Fleisch oder Fisch, allerdings ohne Mehlsoße, sind ebenfalls erlaubt.“
      „ Für mich bedeutet das, dass ich auf alles verzichten soll, was mir schmeckt. Bei der Diät werde ich bestimmt nicht alt“, vermutete der junge Mann unheilvoll. „Wie sieht es denn nun mit Brot und Nudeln aus? Die darf ich jetzt doch sicher auch nicht mehr essen?“
      „ Leider nein“, bestätigte der Arzt bedauernd. „Es gibt aber schon eine ganze Reihe glutenfreier Nahrungsmittel, die Sie schadlos zu sich nehmen dürfen. Sie sind mit dem Symbol einer durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet.“
      „ Und Sie sind sicher, dass ich damit wieder gesund werde?“, fragte der junge Mann zweifelnd.
      „ Die Beschwerden werden verschwinden, und Ihr Gewicht wird sich allmählich normalisieren“, versprach ihm Michael. „Das heißt aber auch, dass Sie diese Form der Ernährung ein Leben lang beibehalten müssen, Herr Meisner.“
      „ Es gibt sicher Schlimmeres.“ Der Vertreter erhob sich seufzend. „Da wird in Zukunft noch einiges schief gehen, fürchte ich. Ich bin ja froh, dass mir wenigstens mein Bier noch bleibt.“
      „ Darauf werden Sie leider auch verzichten müssen“, sagte Michael bedauernd.
      „ Wenn etwas kommt, dann gleich faustdick. Wahrscheinlich habe ich es nicht besser verdient. Aber ich muss ja schon froh sein, wenn ich dann wieder beschwerdefrei leben kann“, versuchte sich der Patient aufzurichten. „So kann es ja auch nicht mehr weitergehen.“
      Der junge Mann hatte gerade das Zimmer verlassen, als die Haushälterin des Arztes hereinkam. „Frau Merkle wartet im Labor auf ihre Spritze, Herr Doktor“, meldete sie.
      Michael stand auf, um die Patientin nicht unnötig warten zu lassen. Mit ihren fünf Kindern, die alle noch zur Schule gingen, wuchs ihr die Hausarbeit ohnehin über den Kopf.
      „ Wie geht es Ihnen heute, Frau Merkle?“, erkundigte er sich, nachdem er die etwas füllige Frau begrüßt hatte. „Machen sich die Spritzen schon irgendwie bemerkbar?“
      „ Die Schmerzen in meinem Bein sind eher schlimmer geworden“, meinte die Frau missmutig. „Kein Wunder, wenn mich alle mit der vielen Arbeit alleine lassen. Mein Mann geht auch lieber auf den Fußballplatz, als mir bei der vielen Wäsche zu helfen.“
      Michael kannte ihr trauriges Schicksal längst, weil sie sich immer wieder bei ihm beklagte. Was sollte er ihr darauf sagen? Dass sie einmal ordentlich auf den Tisch hauen, oder in den Streik treten sollte?
      „ Sie müssen Ihrem Mann sagen, dass Sie das viele Stehen nicht vertragen“, riet er ihr. „Die Kinder sind doch auch schon groß genug, um Sie ein wenig zu unterstützen.“
      „ Nach etlichen Fehlversuchen habe ich es aufgegeben, mich nach einer Hilfe umzusehen. Damit schone ich wenigstens meine Nerven“, meinte die Frau verbittert. „Meiner Arthrose hilft das natürlich nicht. Langsam glaube ich, dass ich diese Schmerzen nie wieder loswerde.“
      „ Diese Spritzen müssten allmählich eine Erleichterung bringen. Sie sollten auch ein wenig auf Ihr Gewicht achten“, meinte der Arzt vorsichtig.
      „ Mit meiner Figur bin ich ganz zufrieden, Herr Doktor. Sie müssten einmal sehen, was für einen Bierbauch mein Mann sich in der letzten Zeit zugelegt hat. Bald kann er sich nicht einmal mehr die Schuhe alleine zubinden«, ereiferte sich die Patientin. „Meine Kaffeestunde am Nachmittag lasse ich mir nicht nehmen. Was habe ich denn dann noch vom Leben?“
      Michael musste lachen. Er gab es auf, der Frau noch weitere Ratschläge zu geben. Aber damit gab sich die Patientin nun wieder nicht zufrieden.
      „ Sie denken jetzt sicher, dass dieser eigensinnigen Frau dann eben nicht

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