Wer den Himmel berührt
Schuld sein. Mein Gott, wie sehr ich mich bemüht habe. Jahrelang habe ich mich bemüht, bis ich glaubte, ich hätte nichts mehr zu geben, Cassie.«
»O Chris?«
»Und als du dann … Jesus Christus, Cassie, du weißt nicht, was mir an dem Tag zugestoßen ist, an dem Fiona dich in mein Büro gebracht hat. Ich habe weder von dir noch von den Fliegenden Ärzten etwas gehalten. Ich fand, es sei nicht ihr Recht, eine Ärztin herzuschicken. Aber weißt du, was mir passiert ist? Ihr habt mein Büro verlassen, du und Fiona, und ich habe angefangen zu zittern. Ich mußte mich hinsetzen, weil ich zu wacklig auf den Füßen war. Ich habe mir angewöhnt, nächtliche Spaziergänge zu machen, weil ich versuchen wollte, dich aus meinen Gedanken zu verbannen, aber immer wieder habe ich mich dabei ertappt, daß ich an deinem Haus vorbeigelaufen bin und gehofft habe, du würdest ›Guten Abend‹ sagen, und ich habe mir ausgemalt, du würdest mich auffordern, zu dir ins Haus zu kommen, du könntest mir über den Arm streicheln.«
»Wirklich? Ich hätte mir nie vorgestellt …«
»Natürlich nicht. Aber Isabel hat es gewußt. Ich bin abends nach Hause gekommen, nachdem du ihr vorgelesen hattest, und sie hat gesagt: ›Genau das hast du dir erträumt, stimmt’s? Eine schöne junge Frau, die dieselben Interessen hat wie du, und an die willst du dich ranmachen. Aber weißt du, was? Sie wird dich genausowenig ranlassen, wie ich dich rangelassen habe. Sie ist eine Dame, und Damen tun so was nicht. Sie kommt zu mir und liest mir vor, und ich kann dir versichern, daß sie dich nicht wollen wird, dich und deine ekelhaften männlichen Annäherungsversuche. Du wirst es ja sehen. Ich werde sterben, und du wirst versuchen, sie zu kriegen, und sie wird dich auslachen. Damen mögen das nicht, denk an meine Worte, und sie ist eine Dame. Sie wird dich nicht an sich ranlassen, auch nicht nach meinem Tod.‹«
»Mein Gott, du bist lange genug Arzt gewesen, um zu wissen, daß das nicht wahr ist. Warum hast du das so lange mitgemacht?«
Chris zuckte die Achseln. »Diese Frage habe ich mir selbst immer wieder gestellt.«
Cassie lächelte ihn an. »Du bist sehr gut im Bett. Ich will, daß du das weißt.« Sie legte den Kopf auf ihr Kissen und betrachtete ihn. »Armer Chris. Isabel hat sich geirrt. Ich will, daß du oft mit mir schläfst. Mir gefällt, was wir gerade getan haben.«
»Jesus, Cassie …«
Sie lachte und sagte: »Kein Wunder, daß du ein so verkniffener Kerl gewesen bist.«
Im ersten Moment benahm er sich, als wüßte er nicht, wie er diese Bemerkung auffassen sollte, und dann brach auch er in Gelächter aus.
»Du bringst mich öfter zum Lachen, als ich in dreiundzwanzig Jahren gelacht habe.«
»Das ist nicht alles, was du mit mir tun wirst«, sagte sie und legte sich auf ihn.
»Ich glaube, ich muß gestorben und in den Himmel gekommen sein«, sagte er und hob die Hände, um sie auf ihre Brüste zu legen.
»Unsinn«, murmelte sie und schaute auf ihn herunter. »Du fängst dein Leben gerade erst an.«
37
D ie eineinhalb Jahre seit Fionas Rückkehr waren schnell vergangen. Fiona würde nie ein so guter Pilot wie Sam werden – wie Warren war sie viel zu vorsichtig, um etwas zu riskieren –, aber Cassie und sie konnten gut zusammenarbeiten. Das einzige Haar in der Suppe war immer noch Blake, und das trotz Cassies fortgesetzter Affäre mit Chris. Es war Cassie unerträglich, wenn Fiona ihr Abschnitte aus Blakes Briefen vorlas. Sie legten ihre Sprechstunden auf Tookaringa so, daß sie über das Wochenende bleiben konnten, und Cassie verspürte Neid, wenn Fiona und Steven unverhohlen die Zuneigung eines Schwiegervaters zu der Frau seines geliebten Sohnes auslebten. Fiona beugte sich im Vorbeigehen zu ihm hinunter und küßte sein Haar, und er nahm ihre Hand und hielt sie fest. Sie redeten endlos über Blake. Blake. Blake. Blake.
Dann stand Cassie auf, entfernte sich vom Tisch und lief über den Rasen zum Billabong hinunter. Dort starrte sie die Schwäne an und beobachtete Jabirus, eine australische Storchenart, und Löffelenten, Fledermäuse, die mit dem Kopf nach unten in einem der Bäume hingen. Sieh mal, sagte sie sich, dieser Teil deines Lebens ist vorbei. Blake gehört deiner Vergangenheit an.
Warum konnte dann Chris die Gedanken an Blake nicht auslöschen?
Er mischte sich jetzt nie mehr ein, wenn es um ihre Patienten ging. Sie gehörten ihr ganz allein, und sie wußte diese Veränderung an ihm zu schätzen. Bei Chris
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