Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
Haar hatte er akkurat nach hinten gekämmt, was auf eine Dusche schließen ließ. Er hatte aber vergessen, sich zu rasieren.
»Du siehst noch schlechter aus als auf deinem Fahndungsfoto«, sagte sie trocken.
Troy setzte sich auf die Bank, zwang sie rüberzurutschen und fuchtelte vor ihrem Gesicht herum, auf der Suche nach der Speisekarte.
»Was soll das?«, sagte sie.
»Ist dein Freund weg?«, fragte er.
»Er wurde heute Morgen zurückgerufen.« Vorher hatte er sie aber noch eindringlich vor Troy gewarnt. Weaver war ein Menschenkenner mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt, der für den Beschützten manchmal lästig werden konnte.
Elaina verstaute die Akten in ihrer Handtasche und beschloss, dass Troys abstrahlende Körperwärme sie kaltließ. Schwere Körperverletzung. Und dann noch mit einem Messer. Dass sollte ihn auf einen der vordersten Plätze ihrer Täterliste katapultieren. Was aber nicht zutraf. Sie blickte auf seine Beine. Vielleicht untergruben die ihr Urteilsvermögen.
Trotz seiner Vorstrafe hielt Elaina ihn für ungefährlich. Da vertraute sie ihrem Instinkt und der Tatsache, dass sie mit ihm telefoniert hatte, als der Täter sich bei ihr auf dem anderen Apparat gemeldet hatte. Troy hatte sie von ihrer Liste gestrichen.
Die Kellnerin brachte Elainas englischen Muffin und Cincos geheimnisvolle mexikanische Speise, die köstlich duftete und mit Jalapeños garniert war.
»Stimmt, Sie haben die bessere Wahl getroffen«, sagte Elaina zu Cinco. »Was ist das?«
»Das sind Migas .«
»Das nehme ich auch«, sagte Troy zur Kellnerin. »Und schwarzen Kaffee.«
»Und das hier hatten Sie auch bestellt.« Cinco legte ein einzelnes Blatt Papier auf den Tisch.
»Ist das die andere Liste?«, fragte sie. Cinco stopfte sich gerade den Mund mit gebackenen Eiern voll.
»Was für eine Liste?«, fragte Troy.
»Die mit den Spannern. Die meisten Serienmörder beginnen als Voyeure«, sagte sie und studierte Tatortadressen und Daten.
Die Vorfälle lagen zwischen acht und fünfzehn Jahren zurück. Genau die Zeitspanne, für die Elaina sich interessierte. Ein Hinweis in der Mitte der Liste erregte ihre Aufmerksamkeit. Er bezog sich auf einen Vorfall ein paar Wochen vor Mary Beth Coopers Ermordung.
»Bay Port?«, fragte sie.
»Genau.« Cinco sah Troy an. »In der Straße hatte Mary Beth Cooper gewohnt. Ist vielleicht von Interesse.«
Und wie . »Hat sich die Polizei von Bay Port darum gekümmert?«
»Keine Ahnung«, sagte Cinco. »Sie hatten gerade mit den Ermittlungen begonnen, als die Staatspolizei sich eingeschaltet hat. Die haben den Fall gleich mit Charles Diggins in Verbindung gebracht. Und da die meisten seiner Opfer hispanischer Herkunft gewesen waren, haben sie auch hier einen rassistischen Hintergrund vermutet.«
Troys Frühstück kam. Er stopfte es in sich hinein. Elaina sah ihm dabei zu. Ob es ihm etwas ausmachte, dass sie weiter einer Theorie nachging, die seine Glaubwürdigkeit in Frage stellte? Er schien nicht nachtragend zu sein. Aber Vorsicht, der Kerl war gerissen!
Sie steckte die Liste ein. Am Nachmittag würde sie ein paar Telefonate erledigen. Vielleicht konnte derjenige, der die Anzeige erstattet hatte, den Spanner auch heute noch genauer beschreiben.
Neidisch beäugte Elaina Troys Würstchen, während sie an ihrem Muffin knabberte. Er lächelte.
»Was ist?«, fragte sie.
»Wohl hungrig?«
»Nein.« Sie trank einen Schluck Kaffee.
»Dann nimm du es, Cinc.« Er spießte ein Würstchen auf und steckte es in Cincos Mund. »Stimmt das mit der Task Force?«
Cinco sah Elaina verlegen an.
»Wird eine Task Force gebildet?«, fragte sie.
Cinco räusperte sich. »Ja, so nennt man das.«
»Und wer ist dabei?« Wieso war sie wieder die Letzte, die davon erfuhr?
»Das weiß ich nicht. Breck bespricht sich mit dem Sheriff und den Texas Rangers. Scheinen alle dabei zu sein.«
Außer der FBI -Agentin, die den Fall bearbeiten sollte. Elaina war mit ihrer Geduld am Ende. Das war Scheiße. Wieder einmal.
Sie kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie und legte einen Zehner unter die Kaffeetasse. »Entschuldigt mich.«
Beim Verlassen des Restaurants rief sie ihren Chef an. Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihr: Es war halb elf, Sonntagmorgen. War er vielleicht in der Kirche? Oder lag er mit einer kleinen Freundin im Bett? Scarborough war nicht verheiratet, hatte keine Kinder. Mehr wusste sie nicht, denn Privates blieb bei ihm außen vor.
»Scarborough.« Seine Stimme war klar und wach.
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