Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
unerträglich attraktiven Mannes auszuschlagen? Keine Frage. Es war klug.
»Jetzt sei nicht so.« Er tätschelte ihre Hand und stieg aus.
Sie stieß einen Seufzer aus, schnappte sich vom Rücksitz ihre Handtasche und stieg aus.
Ihr Wagen taugte nichts, ihr Navigationssystem taugte nichts, und sie hatte keinen Bock, ihm heute Abend schon wieder widerstehen zu müssen. Sie überquerte den Parkplatz, stieg auf das glänzende Trittbrett von Troys Pick-up und schwang sich hinein.
»Wie ist die Autopsie gelaufen?«, fragte er, während er den Motor startete.
Sie schüttelte den Kopf.
»Besteht die Chance, sie bald zu identifizieren?«
Elaina biss auf die Zähne. Der Rechtsmediziner hatte tatsächlich die Haut von der Hand des Opfers abgezogen , um ein paar Fingerabdrücke zu bekommen. Die Hand war so zerfallen, dass sie wie ein Handschuh herunterhing. Beinahe hätte Elaina den Obduktionsraum verlassen müssen, um sich zu übergeben.
Es schmeckte nach Galle in ihrer Kehle. Sie schluckte sie hinunter. »Noch ist nichts bestätigt. Aber wir haben einen Schmuckanhänger gefunden. Eine Libelle. Ihre Eltern hatten das Stück erwähnt. Wir sind ziemlich sicher, dass sie es ist.«
»Valerie Monroe?«
»Ja.«
Troy bog auf den Highway, Richtung Norden. Er fuhr zur Brücke, die zum Festland führte. Es wurde dunkel. Die Neonlichter der Bars und Restaurants wurden eingeschaltet. Auf den Gehwegen tummelten sich Touristen. Unter sie hatte sich womöglich völlig sorgenfrei ein kranker Sonderling mit einem Jagdmesser gemischt.
»Die Eltern waren heute Nachmittag auf dem Revier.«
»Valeries Eltern?«
»Ja.« Ihr fiel ein, wie die Mutter ausdruckslos aus dem Fenster gestarrt hatte. »Niemand wollte sie informieren, alle machten einen Bogen um sie. Der Vater sah meine Dienstmarke und zog mich an die Seite. Viel konnte ich ihm nicht sagen, ich habe aber versprochen, ihn auf dem Laufenden zu halten und dass wir das Menschenmögliche tun. Noch nie im Leben habe ich mich so hilflos gefühlt.«
Im Fahrerhaus wurde es still. Als der Pick-up über den Damm fuhr, sah sie zum Fenster hinaus. In der untergehenden Sonne schimmerte das Wasser wie Gold. Aber Elaina ließ dieses Postkartenidyll kalt, sie fühlte sich leer.
»Ich habe mich ein bisschen umgehört«, sagte Troy.
Sie sah ihn an.
»Einige in Bay Port haben sich an eine Einbruchserie vor ungefähr zehn Jahren erinnert. Ein Kerl hatte damals systematisch die Schubladen nach Damenunterwäsche durchwühlt. Ab und zu ließ er ein Höschen mitgehen.«
»Gibt es Akten dazu?«
»Nein, niemand hat die Polizei gerufen. Es war ja nichts Wertvolles gestohlen worden. Das Ganze schien harmlos zu sein. Vielleicht hatten die Frauen sich auch geschämt.«
Elaina schüttelte den Kopf. Einer dieser »harmlosen« Einbrüche hätte tragisch enden können, wenn der Kerl von einer Frau im Schlafzimmer überrascht worden wäre. Polizisten nahmen den Diebstahl von Unterwäsche gern auf die leichte Schulter. Aber diese Diebstähle waren oft warnende Vorboten. Es ging um Verhaltensmuster – zählebige, beunruhigende Verhaltensmuster, die für die Zukunft Schlimmes befürchten ließen.
Das glaubte zumindest ihr Vater. Und Big Mac McCord irrte selten. Seinen Thesen zu Gewaltverbrechern lagen Hunderte von Interviews mit Gefangenen zugrunde. Sie waren das Ergebnis jahrelanger sorgfältiger Recherche.
Elaina rutschte auf ihrem Sitz herum. Der Gedanke an ihren Vater verunsicherte sie. Sie hatte seit Wochen nicht mit ihm gesprochen. Beide hatten eine Menge zu tun gehabt. Das hatte sie sich als Grund für ihre Funkstille zurechtgelegt. Doch dass er sich so wenig für ihren neuen Job interessierte, verletzte sie. Sie hatte immer gehofft, dass ihre Beziehung sich ändern würde, wenn sie ebenfalls beim FBI arbeitete. Aber beide schwiegen weiter, vielleicht noch mehr als vorher.
Elainas Mutter war in der Familie das Plappermaul gewesen. Sie konnte reden ohne Punkt und Komma und war nicht wenigen Leuten damit auf die Nerven gegangen. Aber bei all dem Geschnatter – was sie wirklich bewegt hatte, darüber hatte sie nie ein Wort verloren. So packte sie eines Tages überraschend die Koffer und ging einfach weg. Dass ihre Mutter unglücklich war, hatte Elaina vermutet. Aber abhauen? Einfach so? Eine Mutter verlässt doch nicht ihre elfjährige Tochter und ihren Mann.
»Alles in Ordnung?«
Sie sah zu Troy und straffte die Schultern. »Klar, wieso?«
»Nichts für ungut, aber du siehst beschissen
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