Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
war er so zerstochen wie sie, auch wenn er nicht darüber redete.
»Trinkpause?«, fragte er.
»Willst du es mit deinem Handy noch einmal probieren?«
»Wenn der Akku leer ist, ist er leer. In meinem Wagen habe ich ein Ladegerät. Wir laden das Handy auf, und du kannst deinen Boss noch mal anrufen.«
Elaina hatte am späten Nachmittag vergeblich versucht, ihn zu erreichen. Ein paar Glühwürmchen flimmerten hier und da. Was für ein schöner Anblick. Doch die Tierchen konnten ihnen in der Finsternis nicht den Weg weisen.
»Wie seltsam«, flüsterte sie.
»Was ist seltsam?«
»Hier draußen zu sein. Es gibt kein Licht, kein Telefon. Nur Sumpf und Himmel.«
»So hat Gott diese Landschaft geschaffen.«
Schweigend gingen sie weiter. Ob er noch an Gott glaubte, nachdem er über einen der schlimmsten Mörder der letzten Jahrzehnte geschrieben hatte? Elaina war mit dem Glauben an Gott aufgewachsen, doch in den letzten Jahren hatte er keine große Rolle mehr gespielt. Sie glaubte vor allem an das Böse. Sie wusste, dass Monster keine Erfindung der Fantasie waren. Sie hatte deren Treiben aus der Nähe beobachtet. Sie hatte ihre Botschaften gehört und verstanden, als sie die Gefängnisinterviews ihres Vaters studierte. Sie wusste, dass es Menschen gab, die atmeten, weinten und lachten wie alle anderen – aber sie konnten entsetzliche Grausamkeiten begehen. Diese Menschen hatten keine Seele.
Wie es wohl war, wenn man die letzten Minuten seines Lebens in der Gewalt eines solchen Menschen verbrachte? Was hatten Mary Beth Cooper, Whitney Bensen, Valerie Monroe und das Mädchen aus Houston empfunden? Die Frage blieb ihr im Hals stecken. Sie klammerte sich noch mehr an Troy.
»Was glaubst du …« Sie sprach nicht weiter. War das eine gute Frage? Außerdem kannte sie die Antwort der Wissenschaftler. Aber sie war neugierig auf Troys Reaktion.
»Was soll ich glauben?«
Sie räusperte sich. »Ich habe über das Ketamin nachgedacht. Benutzt er es aus einem bestimmten Grund? Außer dass er die hundertprozentige Kontrolle über seine Opfer haben will.«
»Wie meinst du das?«
»Ich frage mich, ob sie nicht aufwachen.« Sie bekam eine Gänsehaut. »Glaubst du, dass sie etwas mitbekommen, wenn er anfängt, sie zu zerschneiden? Vielleicht erhöht das seinen Nervenkitzel.«
Troy antwortete nicht. Nur das monotone Blubbern, das beim Eindringen des Matschs in ihre Schuhe entstand, war zu hören.
»Das ist möglich«, sagte er schließlich.
»Das glaube ich auch.«
»Aber wichtig ist …«
Sie stieß gegen seinen massiven Rücken. »Was?«
Er fiel hin und zog sie mit. Ihre Knie versanken im Morast. Er fasste sie am Kinn und drehte ihren Kopf genau nach Osten.
»Da«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Da ist jemand. Ich habe eine Taschenlampe gesehen.«
Elaina griff nach ihrer Pistole. Troy ebenfalls. In der Dunkelheit zeichnete sich ein menschliches Wesen ab.
Es war ein Mann. Mittelgroß, kräftig, er war keine fünfzehn Meter von ihnen entfernt.
In der Hand trug er eine Waffe.
11
» FBI . Lassen Sie die Waffe fallen!«
Der Mann blieb wie angewurzelt stehen. Elainas Herz pochte. Sie richtete ihre Pistole auf den Kerl in der Dunkelheit. Auch Troy hatte seine Waffe gezogen.
»Ich bin ein Polizist«, rief der Mann.
»Lassen Sie die Waffe fallen«, schrie sie. » Sofort! «
Er kniete langsam nieder und legte etwas auf den Boden. Dann erhob er sich wieder und legte die Hände hinter den Kopf.
»Ich bin ein Polizist«, rief er wieder. »Vom Revier Lito Island.«
»Cinco?«, fragte Troy.
»Troy?«
Elainas Hände zitterten, als sie ihre Glock wieder in den Halfter steckte.
»Was macht ihr hier?« Cinco leuchte mit der Taschenlampe zuerst Elaina, dann Troy an.
»Ich hab einen anonymen Anruf bekommen«, berichtete sie. »Jemand hat mir verraten, wo ich angeblich Valerie Monroes Leiche finden kann.«
»Mit GPS -Koordinaten, oder?«, fragte Cinco.
»Hat Ihnen Breck davon erzählt?«
»Nein«, sagte Cinco. »Mich hat auch jemand angerufen. Mir hat sie auch die Stelle verraten, fast auf den Quadratmeter genau.«
»Dann hast du was gefunden?«, fragte Troy.
»Ihr Anrufer war eine Frau ?«, fuhr Elaina dazwischen.
»Ja, ich habe was gefunden«, sagte Cinco. »Ich weiß noch nicht, was es ist. Ich habe die Stelle abgesperrt. Cisernos ist auf dem Weg. Vielleicht kann er uns sagen, was da liegt.«
»Wie sieht es denn aus?«, fragte Elaina.
Cinco schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Fachmann. Aber, Scheiße, es sieht aus
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