Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)

jetzt?«
    »Weil ich nervös und aufgeregt bin. Die Zigarette hilft mir beim Denken.«
    »Die Zigarette hilft dir nur, Lungenkrebs zu bekommen.«
    Er drehte sich um. »Du kommst jetzt raus und setzt dich zu mir. Wenn du mir aber wie meine Mutter eine Moralpredigt halten willst, bleibst du am besten da, wo du bist.«
    Elaina sah ihn an. Von seinen Eltern sprach er selten. Von Cinco hatte sie erfahren, dass sie geschieden waren. Mit seiner Mutter hätte er noch Kontakt, mit seinem Vater nicht. Bei ihren geschiedenen Eltern war es umgekehrt. Wenn man selbst aus einer nicht intakten Familie stammte, verstand man die Seltsamkeiten anderer eher.
    Troy aschte auf die Fliesen. »Entspann dich, Elaina. Du hattest einen Scheißtag.«
    Die Meeresbrandung war heute Abend stark. Rhythmisch schlugen die Wellen auf dem Sand auf. Elaina ließ sich in einen der Polstersessel auf dem Balkon sinken. Vielleicht würde sie heute Nacht bei offener Tür schlafen.
    »Mit Mary Beth liegst du wahrscheinlich richtig«, sagte Troy. »Auch ich glaube, dass sie sein erstes Opfer war.«
    Vielleicht wäre es aber sicherer, bei geschlossener Tür und mit Pistole auf dem Nachttisch zu schlafen.
    »Das ärgert dich wohl maßlos?«, fragte sie ihn.
    »Und wie. Ich habe zwei verdammte Jahre an diesem Buch gearbeitet. Mein Aktenschrank quillt über vor Material zu Charles Diggins. Ich hätte kapieren müssen, dass er als Mörder von Mary Beth nicht in Frage kommt.«
    »Das FBI lag auch daneben.«
    Troy sagte nichts. Vielleicht hielt er von der Kompetenz ihres Arbeitgebers nicht allzu viel.
    »Immerhin sehen wir jetzt klar«, sagte sie. »Bevor er das nächste Mal zuschlägt, fassen wir ihn.«
    Meinte sie das ernst? Denn mit jedem Tag, der verstrich, sah sie ihre Erfolgsaussichten dahinschwinden. Jedes Mal waren sie zu spät gekommen. Warum sollte es das nächste Mal anders sein? Sie dachte an Angela Martinez, und es schnürte ihr die Kehle zu.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Mir geht’s gut.« Sie sah ihn an.
    »Elaina, du solltest lernen, besser zu lügen. Das ist manchmal ganz praktisch.«
    Sie schwiegen eine Weile. Elaina dachte an ihr Gespräch mit Loomis.
    »Ob unser Täter ein Cop ist?«
    Troy nahm einen Zug von der Zigarette und sah sie an. »Wie kommst du darauf?«
    »Ich weiß es nicht. Da gibt es mehrere Indizien.«
    »Zum Beispiel?«
    »Er hinterlässt keinerlei Spuren. Keine Haare, keine Fingerabdrücke, keine DNA . Alles, was er macht, erledigt er mit peinlichster Genauigkeit.«
    »Mia hat DNA -Spuren auf den Shorts gefunden«, sagte er.
    »Aber vor fünf Jahren gab es diese feine und minutiöse Untersuchungsmethode noch nicht. Und bei den neuen Fällen findet man nicht die geringste forensische Spur. Wir haben alles auf den Kopf gestellt. Die Wagen, die Fundorte der Leichen. Auch an den Opfern, nichts. Keine Spur. Ist das nicht eigenartig?«
    »Nimm es als Hinweis auf das Profil des Täters.«
    »Dann die Telefonanrufe«, sagte Elaina. »Er macht sich über das FBI lustig. Er hat Valeries Leiche auf bundesstaatlichem Gebiet deponiert – als wollte er so sicherstellen, dass sie ein Fall für das FBI wird.«
    »Also eine Art perverses FBI -Groupie?«
    »Mehr als das. Ich denke, er ist einer von uns. Oder zumindest hat er es versucht. Möglicherweise jemand, der an einer Polizeiakademie, vielleicht sogar in Quantico, durchgefallen ist. Eine Ablehnung oder ein Rausschmiss könnten ein auslösender Moment gewesen sein.«
    »Und wieso gerade Quantico?«
    »Kleinigkeiten haben mich auf die Idee gebracht. Wirklich nur Kleinigkeiten. Da ist der Sechsercode. Er könnte eine Anspielung auf Robert Hanssen sein, der das FBI jahrelang genarrt hat. Dann diese Wegbeschreibung zu einem cache , die uns Ben gezeigt hat: Folge dem gelben Weg aus Ziegelstein. «
    »Was ist damit?«, fragte Troy.
    »Den gelben Weg aus Ziegelstein gibt es nicht nur im Zauberer von Oz . The Yellow Brick Road ist auch der Spitzname für den Hindernisparcours in Quantico, der der Schrecken jedes Anfängers ist. Wie ein solcher Anfänger fühle ich mich übrigens gerade.«
    »Jetzt mach dich nicht kleiner, als du bist. Niemand hat sich so in den Fall hineingehängt. Erst du hast die Computerschnitzeljagd ins Spiel gebracht. Sie könnte zu einem konkreten Namen führen. Was hat Loomis dazu gesagt?«
    Sie stieß einen Seufzer aus.
    »Was hat er gesagt?«
    »Er hat mich angesehen, als hätte ich gerade behauptet, die Erde sei eine Scheibe. Wahrscheinlich hält er meine Idee für albern.