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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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zu tun und mit unterschiedlichen Ergebnissen zu rechnen. Etwas, das sich von einer Generation zur nächsten mit erschreckender Beharrlichkeit wiederholte. So hatte Barbies Vater es gehasst, in seinem abgetragenen Anzug mit Krawatte zur Arbeit zu trotten, um dann gegen sechs Uhr abends griesgrämig und niedergeschlagen wieder nach Hause zu kommen, wo er ganz klassisch Trost in der Flasche gesucht hatte. Ihre Mutter hatte das Hausfrauendasein verabscheut – wurde in eine Rolle gezwungen, die ihre Mutter und zuvor schon deren Mutter gespielt hatten –, doch was wünschte sie sich im ewigen blinden Fleck ihres Lebens für ihre Tochter?
    Sie sollte einen Mann finden, sich niederlassen und eine Familie gründen – als ob Groll und Kummer ein Vermächtnis wären, das sich weiterzugeben lohnte.
    Was für eine absurde Logik war denn das?
    Jetzt wollte Ken sie heiraten. Er wollte ein Haus, den Palisadenzaun und natürlich die Kinder, obwohl Barbie sich schon vor langer Zeit damit abgefunden hatte, dass sie fürs Mutterdasein absolut nicht geschaffen war. Sie sah durch die Windschutzscheibe und schüttelte den Kopf. Wieso verstand er das nicht? Sie liebte dieses Leben – den Rausch, die Aufregung, die Gefahr –, und sie glaubte fest daran, dass genau das Gottes Plan für sie war. Er hatte Barbie so erschaffen. Warum hätte er das tun sollen, wenn aus ihr am Ende doch nur eine weitere hirnlose Hausfrau wurde, die Kindern die Schnotten von der Nase wischte oder die Windeln wechselte?
    Sie würde Ken erkennen helfen, dass sie aus einem bestimmten Grund zusammengeführt worden waren. Sie liebte ihn. Er war ihr Schicksal. Sie wusste jetzt, dass ihre Aufgabe darin bestand, ihm die Augen zu öffnen. Er würde das verstehen. Er würde sogar erleichtert sein, dass er nicht einfach das tun musste, was die anderen von ihm erwarteten.
    Megan blinkte rechts und bog ab. Barbie folgte ihr. Sie schob die Gedanken an den Heiratsantrag beiseite und konzentrierte sich auf ihre Gefühle für das, was sie Megan antun musste. Einerseits gefiel es ihr nicht, diese Frau umbringen zu müssen. Wenn sie Goldberg geglaubt hätte – was sie nicht getan hatte –, dass die Frau keine Bedrohung für sie und Ken darstellte, dann hätte sie sie, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, gerne zurückfahren lassen in ihr erbärmliches Haus, zu ihrem Ehemann und ihren Kindern. Doch das konnte sie nicht. Es musste sein. In dieser Branche überlebte man nicht lange, wenn man etwas Wichtiges unerledigt ließ.
    Barbie sah, wie Megan vor ihr den Wagen parkte und in ein Gebäude ging, vor dem ein Schild mit der Aufschrift Sunset Assisted Living stand. Hmm. Barbie fuhr noch ein Stück weiter und parkte ebenfalls. Dann griff sie unter den Fahrersitz und zog das Messer heraus.
    Immer noch ziemlich benommen, machte Ray sich auf den Heimweg.
    Broome hatte im Labor angerufen und war mit den Leuten von der Spurensicherung hastig wieder zur alten Eisenerzmine in den Pine Barrens aufgebrochen. Ray war noch etwa fünf Minuten geblieben, weil er sich kaum von der Stelle rühren konnte. Das Ganze war völlig unlogisch. Er versuchte, seine Gedanken zu sortieren, was ihn jedoch nur noch mehr verwirrte.
    Als Ray auf dem Danny Thomas Boulevard am Trump Taj Mahal vorbeistolperte – das Gebäude war so protzig, dass es fast schon ein Klassiker war –, spürte er, wie sein Handy vibrierte. Er griff danach und zog es mit steifen Fingern, die kaum in die Tasche zu passen schienen, heraus. Das Handy vibrierte nicht mehr, und auf dem Display war das Symbol für einen entgangenen Anruf zu sehen. Als er in Caller ID sah, dass eine »Megan Pierce« versucht hatte, ihn zu erreichen, beschleunigte sich sein Puls.
    Cassie.
    Sollte er sie zurückrufen? Er war sich nicht sicher. Natürlich war es ein Zeichen, dass sie ihn angerufen hatte, andererseits hatte sie aber auch sofort wieder aufgelegt. Oder die Leitung war irgendwie unterbrochen worden. Aber dann würde sie es doch wieder versuchen, sobald sie wieder Empfang hatte? Also gut, warte auf den zweiten Versuch. Er schüttelte den Kopf. Was zum Teufel war nur los mit ihm? Er benahm sich plötzlich wie ein pubertierender Junge, der mit feuchten Händen die Zeichen seiner ersten Liebe zu deuten versuchte.
    Ray fragte sich, wie sie an seine Handynummer gekommen war. Ganz egal. Wichtig war nur, dass sie ihn angerufen hatte. Aber wieso? Er behielt das Handy in der Hand, versuchte, es kraft seiner Gedanken in Vibration zu versetzen,

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