Wer einmal lügt
behandelt. Ein echter Gentleman.«
Tawny war keine gute Lügnerin. Ihr Blick schoss im Raum umher wie ein verängstigter Vogel.
»Können Sie mir sonst noch etwas über ihn sagen?«
»Eigentlich nicht.«
»Wie haben Sie sich kennengelernt?«
»Hier.«
»Wie?«
»Er hat einen Lapdance gekauft«, erklärte Tawny. »Die sind legal, wissen Sie?«
»Und was dann? Hat er Sie mit zu sich nach Hause genommen?«
»O nein. So was machen wir hier nicht. Der Club hier ist total legal. Das würde ich nie machen.«
Bei dem Satz rollte selbst Rudy die Augen.
Broome seufzte. »Tawny?«
»Ja?«
»Ich bin nicht von der Sitte. Mir ist es scheißegal, ob Sie für Donuts mit Affen bumsen …«
»Hä?«
»… und ich glaube auch nicht, dass Sie etwas mit Carltons Verschwinden zu tun haben. Aber wenn Sie mich weiter belügen …«
»Ich lüge nicht!«
Broome unterbrach sie, indem er eine Hand hob. »Wenn Sie mich weiter belügen, Tawny, nehme ich Sie fest und stecke Sie in den Knast. Nur so aus Spaß. Ich werde Sie für sein Verschwinden verantwortlich machen und dafür sorgen, dass es so aussieht, als hätten Sie ihn ermordet, und zwar, ehrlich gesagt, nur deshalb, weil mich der Fall langweilt und ich ihn irgendwie zu Ende bringen muss. Also können Sie sich überlegen, ob Sie mir lieber die Wahrheit sagen oder in den Knast gehen.«
Das war natürlich eine leere Drohung. Beinahe hätte Broome sich schlecht dabei gefühlt, eine junge Frau zu bedrohen, die so dumm war, dass sie sich immer wieder selbst im Weg stand. Sie drehte sich um und sah Rudy an. Broome fragte sich, ob er Rudy wegschicken sollte, aber Rudy forderte sie mit einem Nicken auf weiterzureden.
Tawny sah zu Boden. Ihre Schultern sanken herab. »Er hat mir den Finger gebrochen.«
Sie hatte die rechte Hand die ganze Zeit unter dem Tisch gehabt. Außerdem trug sie einen roten Handschuh – die Farbe passte zu ihrem Bustier –, und als sie den Handschuh auszog, sah Broome, dass der Finger nicht ordentlich gerichtet worden war. Die Spitze zeigte zur Seite, und der Knochen stach beinahe durch die Haut.
Broome warf Rudy einen finsteren Blick zu. Der zuckte die Achseln. »Was ist? Denken Sie, die Angestellten hier hätten eine Krankenversicherung?«
Eine Träne lief Tawnys Wange hinunter. »Carlton ist gemein. Es macht ihm Spaß, mir wehzutun. Er hat gesagt, wenn ich das jemandem erzähle oder mich beschwere, bringt er Ralphie um.«
»Ist das Ihr Liebhaber?«
Sie sah Broome an, als hätte er zwei Köpfe. »Das ist mein Pudel.«
Broome sah Rudy an. »Haben Sie das gewusst?«
»Was? Glauben Sie, ich führe Buch über die Haustiere der Mädchen?«
»Nicht der Hund, Sie Idiot. Haben Sie gewusst, dass Carlton Flynn ein sadistisches Arschloch ist?«
»Hey, wenn jemand meinen Mädchen was tut, sag ich ihm, er soll sich verpissen. Aber wenn ich nichts davon weiß, was soll ich dann machen? Das ist wie die Sache mit dem Baum, der im Wald umfällt, oder so. Hinterlässt er eine Kuhle, wenn ihn keiner hört? Wenn ich nichts davon weiß, weiß ich nichts davon.«
Rudy, Philosoph der Gentlemen’s Lounge.
»Hat er Ihnen noch mehr Verletzungen zugefügt?«, fragte Broome.
Tawny kniff die Augen zu und nickte.
»Können Sie mir sagen, wie?«
»Nein.«
»Also haben Sie ihn gehasst?«
»Ja.«
»Und jetzt wird er vermisst.«
Tawnys falsche Wimpern flogen auf. »Sie haben gesagt, Sie glauben nicht, dass ich was damit zu tun habe.«
»Sie vielleicht nicht«, sagte Broome. »Aber vielleicht jemand, dem Sie etwas bedeuten. Jemand, der Sie beschützen will.«
Wieder sah sie ihn verwirrt an.
»Ein Liebhaber, ein Elternteil oder ein enger Freund?«
»Das soll jetzt ein Witz sein.«
Traurigerweise war sie zu Recht verwirrt. Sie hatte niemanden außer einem Pudel namens Ralphie. Das war eine Sackgasse.
»Wann haben Sie Flynn zum letzten Mal gesehen?«, fragte Broome.
»Am Abend bevor er, äh, abgehauen ist oder was auch immer.«
»Wo waren Sie da mit ihm?«
»Zuerst hier. Er hat mir gern beim Tanzen zugeguckt. Er hat irgendwelchen Typen Lapdances bezahlt und zugeguckt, dann hat er mich mit zu sich nach Hause genommen und hat mich Schlampe genannt, weil ich für sie getanzt habe, und mir sehr wehgetan.«
Broome versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Wenn Leute hierherkamen, um ihren Spaß zu haben oder so, verurteilte er das nicht. Was den Leuten jedoch nicht erzählt wurde, war, dass das so gut wie nie reichte. Carlton Flynn hatte einmal als unbedeutender Gast
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