Wer einmal lügt
Hemd platzte herein. Der Mann war ziemlich fett und hatte ein hochrotes Gesicht. »Was zum Teufel ist hier los?«, schrie er.
Rick Mason sprang auf. »Chief Goldberg …«
»Ich habe gefragt, was hier los ist?«
»Ich zeichne zwei mögliche Verdächtige.«
»Und warum hier unten?«
Mason antwortete nicht.
»Sie haben doch ein Büro, oder?«
»Ja.«
»Was machen Sie dann hier unten?«
»Detective Broome hatte mir vorgeschlagen, hier unten zu arbeiten.«
Goldberg stemmte die Hände in die Hüfte. »So, hat er das?«
»Er sagte, die Zeugin dürfe nicht in Gefahr gebracht werden.«
Goldberg sah Megan an. »Na sieh mal einer an, wenn das nicht Janey aus dem Diner ist. Wieder so ein Höflichkeitsbesuch?«
Megan sagte: »Ich möchte lieber nichts dazu sagen.«
»Wie bitte? Sagen Sie mir jetzt sofort, wie Sie wirklich heißen!«
»Bin ich verpflichtet, Ihnen meinen Namen zu nennen?«
Das brachte ihn kurz aus dem Konzept: »Rechtlich gesehen wohl nicht …«
»Dann möchte ich das lieber nicht. Ich bin aus freiem Willen und auf Bitten von Detective Broome hier.«
»Oh, tatsächlich?« Goldberg runzelte die Stirn. »Zufällig bin ich Detective Broomes direkter Vorgesetzter.«
»Das ändert nichts.«
»Wirklich nicht, Mrs Pierce?«
Megan schloss den Mund. Goldberg kannte ihren Namen schon. Das bedeutete nichts Gutes. Er trat um den Tisch und sah auf den Zeichenblock. Rick Mason versuchte, ihm den Blick zu versperren wie ein Viertklässler, der seinen Nachbarn nicht abschreiben lassen wollte. Goldberg schob ihn beiseite und setzte seine Brille auf. Als sein Blick auf die Skizze des jungen Paars fiel, zuckte sein ganzer Körper, als hätte man ihm einen Schlag mit einem Elektroschocker verpasst.
»Wer zum Teufel sind die beiden?«
Keiner sagte etwas.
Goldberg wandte sich wieder an Mason. »Haben Sie meine Frage verstanden?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich soll nur die Phantomzeichnung machen.«
»Für welchen Fall?«
Er zuckte die Achseln.
Goldberg wandte sich wieder an Megan. »Wo haben Sie die beiden gesehen?«
»Ich möchte lieber auf Detective Broome warten.«
Goldberg warf noch einen Blick auf die Zeichnungen. »Nein.«
»Nein?«
»Sie sagen es mir sofort. Oder Sie machen, dass Sie hier rauskommen.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Mein voller Ernst.«
In Gegenwart dieses Goldbergs wurde Megan ganz anders. Sie würde das Revier verlassen. Sie würde einen Spaziergang machen oder vielleicht ins Diner gehen, Broome anrufen und alles neu organisieren. Broome hatte sie nicht umsonst hier runterbringen lassen – vielleicht steckte auch noch mehr dahinter als der Schutz ihrer Identität. Vielleicht hing es mit seinem Boss, diesem angriffslustigen Nashorn namens Goldberg zusammen.
Sie schob den Stuhl nach hinten. »Gut, dann geh ich.«
»Ja, und passen Sie auf, dass Sie auf dem Weg nach draußen nicht über die Türschwelle stolpern.«
Goldberg drehte sich um, offensichtlich irritiert. Seine Flegelhaftigkeit überraschte sie. Es klang fast, als wollte er, dass sie ging. Wahrscheinlich waren das irgendwelche Machtspielchen mit Broome, aber es gefiel ihr nicht. Trotzdem war es am besten, sofort zu gehen, damit sie nichts preisgab, was sie lieber für sich behielt.
Megan stand auf. Sie griff gerade nach ihrer Handtasche, als die Tür wieder aufgestoßen wurde.
Es war Broome.
Schon als er in der Tür stand und noch bevor er Goldberg sah, entdeckte sie etwas Seltsames in seinem Gesicht – Zorn. Der Zorn schien sich eigenartigerweise gegen sie zu richten. Sie hatte einen Moment Zeit, sich zu fragen, worum es ging, ob etwas bei seinem Besuch bei Lorraine schiefgegangen war, aber bevor Broome etwas dazu sagen konnte, entdeckte er Goldberg. Sofort entglitten Broome die Gesichtszüge.
Einen Moment lang starrten die beiden Männer sich nur an. Beide ballten den Bruchteil einer Sekunde die Fäuste. Megan fragte sich, ob einer von ihnen zuschlagen würde. Dann trat Broome einen Schritt zurück, zuckte die Achseln und sagte: »Erwischt.«
Das brachte den Stein ins Rollen. »Was zum Teufel ist hier los, Broome?«, wollte Goldberg wissen.
»Diese Frau, die anonym bleiben soll, könnte Harry Suttons Mörder gesehen haben.«
Goldbergs Kinnlade fiel herab. »Sie war am Tatort?«
»Sie war auf dem Weg zur Kanzlei und hat diese beiden aus dem Haus kommen sehen. Wir haben keinen anderen Grund dafür gefunden, aus dem sie sonst im Gebäude gewesen sein könnten. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass sie die
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