Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)
es zu verdrängen, sich adrett herauszuputzen und für den herrlichen Zimmerwechsel zu bedanken, der auf Kosten des Hotels stattgefunden hatte. Dieses Entgegenkommen war ausgesprochen nett gewesen, aber vor allem auch verständlich, denn schließlich wollten sie alle ihre Ruhe haben.
Emmeline grinste verwegen. Nie im Leben hätte sie gedacht, einmal so auffällig zu werden und ein ganzes Hotel zusammenzuschreien.
Als sie sich die Hände wusch, blieb ihr Blick plötzlich wie unter Zwang an ihren Fingernägeln haften. Sie hatte schlanke, sehr weibliche Finger mit gepflegten Nägeln und wunderte sich, einen Moment das Bild von rissiger Haut und Schmutz darauf gesehen zu haben. Nachdenklich hielt Emmi in der Bewegung inne und betrachtete ihre Hände genauer. Da war kein Schmutz und ihre Haut war zart wie immer.
Wirklich? ... dachte sie plötzlich und stierte erneut auf ihre Hände. Etwas daran erinnerte sie an eine Begebenheit in der heutigen Nacht, aber nicht etwa an einen Eindringling oder eine rot glühenden Horrorversion, sondern an eine Situation aus einer anderen Zeit. Schnell schüttelte sie die Tropfen von ihrer Hand ab, betrachtete ihre Finger und konzentrierte sich. Erste Bruchstücke des Traums fielen ihr wieder ein und prägten sich in ihr Gedächtnis. Bilder blitzten wie Kurzfilme vor ihrem geistigen Auge auf und brachten die damit verbundenen Gefühle wieder: Scham, Trauer, Leere und furchtbare Hilflosigkeit. Der Traum war völlig anders gewesen, als alles, was sie bisher geträumt hatte ... wie eine Zeitreise zu einem anderen Ich.
Überrascht blickte Emmi auf, betrachtete sich im Spiegel und konnte sich plötzlich wieder an alles erinnern. Sie hatte sich selbst in einem fremden Körper gesehen, wie sie Verletzte gebunden und gefangen genommen hatte. Sie war ein Todesengel gewesen auf einem blutigen Schlachtfeld, hatte ihre schwarzen Schwingen ausgebreitet und geschundene Kreaturen mit ihrer Handlung dem Tode geweiht. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Der Traum war beängstigend gewesen und auch enttäuschend, weil sie ihre eigene Rücksichtslosigkeit zu spüren bekommen hatte. Wie durch einen Spiegel hatte sie gesehen ... gerade so wie eben jetzt, in diesem Badezimmer.
Der Vergleich brachte sie wieder in die Gegenwart zurück. Dieser Traum ging ihr plötzlich ziemlich auf die Nerven. Außerdem fragte sie sich, warum sich seit ihrer Ankunft in diesem Land so derart viele Ungewöhnlichkeiten häuften. Ihr Leben war sonst nicht gerade durchpflügt von sensationellen Ereignissen oder seltsamen Vorkommnissen. In Wirklichkeit liebte sie die Ruhe und das Gemütliche, was ihren Großvater stets zu Monologen über das Leben und den erlahmenden Lebensfluss animiert hatte. Hier in Lissabon aber schien alles anders, denn von ihrem normalen Leben konnte nicht die Rede sein! Seit dieser Reise schien alles irgendwie Kopf zu stehen. Zuerst der Beinahe-Absturz mit dem Flugzeug und die grässliche Konfrontation mit dem finsteren Vordermann, danach der reinste Horror in Zimmer 53 und schließlich noch eine Art Zeitreise per Traum. Mehr an seltsamen Vorkommnissen in solch kurzer Zeit konnte sie sich wahrlich nicht vorstellen. Entweder lag es am Land oder an ihrem Auftrag zur magischen Felim-Maske. Falls die Gerüchte nämlich stimmten und diese Maske tatsächlich ein magisches Wunderding war, hatte Emmi vielleicht alleine schon durch ihr Interesse, ihren magischen Wirkungsbereich berührt.
Beim Frühstück gesellte sich ein junger Mann zu ihr an den Tisch. Genau wie sie hatte er eine ganze Ladung leckerer Würstchen aufgeladen und grinste sie deswegen verwegen an. Seine grünen Augen leuchteten voller Vorfreude auf das köstliche Mahl.
„Ja, ja die Würstchen! Haben Sie sie auch schon entdeckt?“, scherzte Emmi auf Deutsch, weil sie davon ausging, dass der junge Mann sie verstehen konnte. Zumindest stand auf seinem lila T-Shirt „Ich bin lässig und cool ... und manchmal ziemlich schwul.“ Emmi musste leise kichern, versuchte das aber mit einer Portion Eierspeise zu übertünchen. Was weniger genial war und natürlich in einem Hustenanfall endete. Ein Teil der Eierspeise landete auf dem Tischtuch.
„Soll ich klopfen?“, fragte der Mann und grinste, weil er genau wusste, worüber sie lachte. Schnell schubberte sie die Eierreste vom Tisch und ließ sie dezent zu Boden fallen. Mit reiner Willenskraft versuchte sie dann die rote Farbe aus ihren Wangen zu verdrängen.
„Danke ... äh ... nein! Ich bin
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