Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)
Erden, eine Nymphe der Fantasie und eine Göttin des Himmels. Mit offenem Mund beobachtete er sie durch das Fenster und wäre womöglich noch in die Tiefe gestürzt, wenn er sich nicht rechtzeitig am Mauervorsprung ihres Fensters festgehalten hätte. Der gewagte Sprung über die Mauer, das Erklettern der steilen Wand, das Anschleichen und das Risiko, den Wachen zu begegnen. All das war lächerlich im Vergleich zu dem übermächtigen Gefühl, das ihn bei ihrem Anblick erfüllte. Sie war wie für ihn geschaffen und ab nun der Mittelpunkt seines Seins ... und zwar für alle Zeiten.
Die letzte seiner Tränen verdampfte in der Glut der Hitze, ohne seine Augen zu verlassen. Das Ende war nahe, der Tod so greifbar, wie der Sand unter seinen Händen. Eine kleine Bewegung noch in seinem Gesicht, ein leises Seu fzen ... dann war es vorbei.
Es war kein schönes Ende und auch kein heldenhaftes Abtreten. Aber es war ein Sieg, denn seine letzten Geda nken hatten ihr gegolten und auf wundersame Weise ein Lächeln auf seine rissigen Lippen gezaubert.
11 . Kapitel
Emmi versuchte es nicht als Kneifen zu bezeichnen, doch in Wahrheit hatte sie eine Heidenangst vor dem Keller. Sie wollte die verschmutzte Stelle dort unten zwar suchen und auch den Aufzug und seinen Schacht prüfen, aber alleine der Gedanke an die Finsternis verursachte ihr Übelkeit. Sie schob ihren Detektiveinsatz daher vorerst einmal auf und versuchte das Bild der geifernden Bestie wieder aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. So kurz nach dem totalen Horror brauchte sie offenbar doch mehr Zeit, um genügend Mut für eine Erkundungstour zu sammeln.
Also hatte sie sich voller Elan wieder auf die Liste ihres Großvaters gestürzt und sich so rasch als möglich auf den Weg nach Bairro Alto gemacht. Zu Emmis Verwunderung und Verärgerung war die Bibliothek jedoch geschlossen. Dabei hatte sie dem Bibliothekar am Vortag extra aufgetragen, dieses besondere Buch für sie bereit zu halten. Die verschlossene Tür ohne Hinweisschild war somit ein Rätsel, das sich Emmi nicht erklären konnte. Noch dazu, wo sie heute besonders zügig vorankommen wollte, um ihren Aufenthalt in Portugal zu verkürzen!
„Verdammt!“, fluchte sie laut und kramte nach der Liste ihres Großvaters, um Punkt für Punkt darauf durchzugehen. Zwei weitere Bibliotheken und drei Antiquitätenläden in Lissabon standen noch darauf. Falls diese Bibliothek hier allerdings weiter geschlossen blieb, würde sie wohl auf eigene Faust noch ein paar geeignete Läden ausfindig machen müssen.
Ein wenig hilflos blickte sie sich um. Sie war nicht darauf eingestellt, sofort eine andere Arbeitsstätte zu suchen. Die Gassen dieses Stadtteils waren außerdem so beeindruckend alt und schön, dass sie gar keine Lust hatte allzu rasch wieder zu gehen. Um diese Zeit waren auch schon viele Touristen hier, fotografierten fleißig Sehenswürdigkeiten, plauderten fröhlich und schlenderten herum. Die Stimmung hier war gut und Emmi durchaus versucht ein wenig zu bummeln.
Disziplin! ... mahnte sie sich und rief sich automatisch das strenge Gesicht ihres Großvaters ins Gedächtnis. Wenn sie wieder rasch nach Hause wollte, musste sie auch etwas dafür tun! Mit verkniffenem Mund machte sie sich auf den Weg zur Gondelstation, doch schon in der nächsten Quergasse entdeckte sie einen kleinen Antiquitätenladen, der ihre Aufmerksamkeit fesselte. Dabei stand das kleine Geschäft nicht einmal auf der Liste ihres Großvaters.
Palim-palim ... die süße Glockenreihe an der Türe kündigte Emmis Erscheinen in einer faszinierenden Welt von gut erhaltenen Dingen aus vergangenen Tagen. Der typische Geruch von Altem stieg ihr in die Nase und entlockte ihr ein zufriedenes Lächeln. Sie liebte diese Atmosphäre, die so viel „dichter“ war, als die Luft in neuzeitlichen Einrichtungen. Für Emmi war es meist eine Gesamtkomposition aus vielen, verschiedenen Eindrücken. Vom Geruch angefangen, über den optischen Reiz bis hin zu den vielen Geschichten, die mit den Gegenständen verknüpft waren. Solch eine geschwängerte Atmosphäre fand man nur im „Alten, Gediegenen“ und nicht etwa bei billigen Ramschmöbeln. Die Innenwände des Ladens waren grün und weiß bemalt, der Boden aus dunklem Holz gefertigt und die Decke in zart rosa gestrichen. Keine der vier Wände schien gerade zu sein und keine der Holzdielen unter 50 Jahre jung.
Die Frau, die aus einem Nebenraum kam, war eine portugiesische Schönheit mit kurzen,
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