Wer hat Alice umgebracht?
machte sich bei mir eine große Erschöpfung breit. Allerdings war das nach den Ereignissen des Tages auch kein Wunder. Wenn ich nicht wenigstens ein paar Stunden Schlaf fand, würde ich am nächsten Morgen überhaupt keine Energie haben.
Cameron und ich kletterten über steile Treppen hoch in das zweite Stockwerk. Dort gab es einen fensterlosen Raum, der trocken und etwas weniger schmutzig war als die großen Lagersäle. Vielleicht hatte er einmal als Büro gedient.
Cameron schleppte einige Stapel Jutesäcke herbei.
„Ein Himmelbett bietet zweifellos besseren Übernachtungskomfort, Lindsay. Und leider kann ich dir auch nicht deinen Morgentee auf der Bettkante servieren.“
„Das macht nichts“, erwiderte ich mit weicher Stimme.
Seit wir diesen Raum betreten hatten, hatten sich meine Gefühle schlagartig geändert. Die Beklemmung wegen der unheimlichen Atmosphäre war verflogen, genauso wie meine Angst vor einer neuerlichen Verhaftung. Okay, meine Zukunftsaussichten waren noch nie so mies gewesen. Aber gerade deshalb brachte es mir nichts, mich mit verzagten Grübeleien selbst zu quälen.
Ich war immer noch frei, und ich hatte einen tollen Typen an meiner Seite. Es sah ganz danach aus, dass Cameron mich ebenso gut fand wie ich ihn. Jetzt wurde es dringend Zeit, dass ich diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen ließ.
Cameron kniete auf dem Boden und schichtete einige Jutesäcke übereinander. Ich kam von hinten an ihn heran und schlang meine Arme um seine breiten Schultern. Als ich erst mal meine eigenen Hemmungen überwunden hatte, ging alles ganz leicht. Denn ich spürte instinktiv, dass er mich nicht zurückstoßen würde. Oder ich hoffte es wenigstens.
„Schön machst du das“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Wollen wir mal ausprobieren, ob diese Unterlage auch weich genug ist?“
Cameron erstarrte. Einen entsetzlichen Moment lang fürchtete ich, dass ich ihn falsch eingeschätzt hatte. Würde er sich gleich von mir losmachen und mir sagen, dass wir doch lieber nur Freunde bleiben sollten? Diesen furchtbaren Satz aussprechen, vor dem sich jedes Mädchen fürchtet, das seine starken Gefühle offenbart?
Du bist für mich wie eine Schwester.
Aber das passierte nicht. Diese Worte aus Camerons Mund zu hören, blieb mir erspart. Zum ersten Mal in den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte ich wirkliches, echtes Glück. Cameron drehte seinen Kopf. Nun befanden sich meine Lippen nicht mehr neben seinem Ohr, sondern direkt vor seinem Mund. Ich kann nicht sagen, ob der Kuss von ihm oder von mir ausging. Wahrscheinlich bewegten wir uns gleichzeitig aufeinander zu, so wie ein Magnet und ein Eisenstück, die unwiderstehlich voneinander angezogen werden.
Während unsere Zungen einen beängstigend schönen Reigen miteinander begannen, zog Cameron mich in seine Arme. Ich strich mit den Fingerspitzen über seine stopplige Wange, sog seinen männlichen Geruch auf. Ich versuchte, Cameron mit allen Sinnen zu erfassen. Ich wollte ihn sehen, schmecken, fühlen, riechen. Und ich hörte ihn auch, als sich unsere Münder voneinander lösten und ich meine rechte Hand ganz oben auf seinen sehnigen Oberschenkel legte.
Cameron stieß einen rauen, erregten Laut aus. Und das, was ich unter meinen Fingerspitzen fühlte, beschleunigte auch meinen Herzschlag ganz ungeheuer. Ich hatte ja Cameron schon splitternackt gesehen, als er noch als Aktmodell gearbeitet hatte. Aber damals war seine Männlichkeit nicht zu dieser Größe angewachsen, die ich nun unter dem Jeansstoff ertasten konnte. Cameron fand mich auch gut, so viel stand fest. Seine Reaktion ließ an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Und ein schöneres Kompliment konnte ich mir in diesem Moment nicht vorstellen.
Auch Cameron ging auf meinem Körper auf Entdeckungsreise. Seine Fingerkuppen umfassten meine Brustwarzen, die schon hart wie Kieselsteine waren. Ich kann nicht sagen, ob es in diesem verflixten Abbruchhaus kalt war. Ich jedenfalls fror nicht, als Cameron mich ausgezogen hatte. Er sah nicht nur gut aus, er wusste auch, was er mit seinem Körper anstellen konnte. Ich bin kein unerfahrenes Mauerblümchen, aber Cameron war von meinen bisherigen Lovern zweifellos der beste. Doch das lag gewiss nicht nur daran, dass er so einen traumhaften Body hatte. Nein, ich war auch richtig in ihn verliebt. Und darum fand ich jede seiner Berührungen doppelt und dreifach schön. Sein heißer Atem auf meiner nackten Haut steigerte meine Lust ins Unermessliche.
Wir
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