Wer hat Alice umgebracht?
hatten sehr viel voneinander in dieser Nacht. Cameron und ich ließen erst voneinander ab, als wir total erledigt waren. Ich fühlte mich so ausgepowert, als ob ich an einem Marathon teilgenommen hätte. Aber tief in meinem Inneren war ich unglaublich befriedigt, denn Cameron hatte mich vollständig ausgefüllt. Und das in jeder Hinsicht.
„Dann sind wir jetzt ein Paar, oder?“, fragte Cameron, als er wieder zu Atem gekommen war. Er spielte mit einer meiner schweißnassen Haarsträhnen.
„Das hoffe ich doch sehr. Ich bin jedenfalls kein Flittchen, das es mit jedem macht.“
„So etwas würde ich auch nicht von dir denken. Ich habe mich übrigens in dich verliebt, Lindsay.“
Mein Herz schlug schneller, und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
„Und ich mich in dich, Cameron.“
Eine Zeit lang lagen wir einfach nur da und genossen das Glück, einander gefunden zu haben. Aber allmählich kehrten die Gedanken an die Zukunft zurück, die unmittelbar bevorstand.
„Ob Robert Cincade und diese Nelly meine Erzfeindin auf dem Gewissen haben? Was glaubst du, Cameron?“
„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Sicher, Nelly ist total besitzergreifend. Und ihr Tarot-Tick nervt. Aber warum hätte sie Alice umbringen sollen, wenn sie ihr Robert doch schon ausgespannt hatte? Und vor allem: Was sollte es bringen, dir die Schuld in die Schuhe zu schieben? Du kanntest sie doch gar nicht.“
Ich fühlte einen Stich von Eifersucht.
„Aber du kennst Nelly anscheinend ganz gut.“
„Ja, aber wir waren nie zusammen. Sie war mal mit einem Freund von mir liiert. Daher weiß ich, dass sie einem Mann gewaltig auf die Nerven gehen kann. Aber warum hätte Robert behaupten sollen, dass Alice ein Geheimnis hatte und aus Schottland verschwinden wollte?“
„Um den Verdacht von sich abzulenken.“
„Aber die Polizei verdächtigt ihn doch sowieso nicht. So wie ich das sehe, bist du bisher die einzige Verdächtige. Aber wir wissen, dass du Alice nicht getötet hast.“
„Wissen wir das wirklich?“, seufzte ich pessimistisch. „Eine Zeit lang habe ich an mir selbst gezweifelt, weil ich in der Nacht ziemlich blau gewesen bin. Aber ich hätte niemals dieses blöde Messer aus der Kunstakademie mitgehen lassen. Dieses Beweisstück zeigt mir nur sehr deutlich, dass mich jemand reinreiten will.“
„Richtig, und Nelly ist keine Studentin. Sie arbeitet in einem Esoterikladen. Es würde also auffallen, wenn sie einfach in die Glasgow School of Art spaziert und dort ein Messer klaut.“
Ich nickte.
„Ja, seit so viele Geldbeutel und Handys gestohlen werden, ist der Uni-Sicherheitsdienst auf Zack. Wenn man Ärger mit den Wachleuten vermeiden will, sollte man besser ständig seinen Studentenausweis dabeihaben. Robert Cincade hingegen studiert Kunst. Aber er ist nicht in meinem Modellierkurs, wo die Messer herumliegen. Es wäre also möglich, dass er die Tatwaffe besorgt hat, aber nicht allzu wahrscheinlich. Er müsste ja auch herausgefunden haben, welches Messer von mir benutzt wurde. In dem Kurs sind immerhin elf Studenten. Man kann dort nicht einfach ein und aus gehen, wie es einem gefällt. Der Raum wird nämlich abgeschlossen, wenn nicht gerade modelliert wird. Das machen sie grundsätzlich, seit im vorigen Semester irgendwelche Idioten die Kunstwerke mutwillig zerstört haben.“
„Wir müssen ja Robert Cincade und Nelly Perkins auch nicht von unserer Verdächtigenliste streichen. Aber wir sollten auch daran denken, dass Alice noch andere Feinde gehabt haben könnte.“
„Ja, genau. Und dieser Widersacher muss so viel Macht haben, dass er meine beiden Freundinnen zu einer Falschaussage gebracht hat. Wenn Fiona und Allison gegenüber der Polizei nicht gelogen hätten, würde ich jetzt nicht so tief in der Tinte sitzen. Am liebsten würde ich mir diese beiden treulosen Tomaten mal vorknöpfen.“
„Lass es uns tun“, meinte Cameron schläfrig. „Wir müssen nur aufpassen, ob sie vielleicht Polizeischutz erhalten. Sonst tappen wir nämlich direkt in die Falle.“
Ich brummte zustimmend, und im nächsten Moment war ich eingeschlafen. Auch Camerons Atemzüge gingen schon sanft und regelmäßig.
Am nächsten Morgen wurden wir von unserem eigenen Magenknurren geweckt. Wir riskierten es, in einer abgerockten Imbissstube frühstücken zu gehen. Sie gehörte einem Pakistani, der auf einem Fernseher in der Ecke das TV-Programm seiner Heimat laufen ließ. In der Nachrichtensendung aus Islamabad würde wohl kaum mein
Weitere Kostenlose Bücher