Wer hat Angst vor Jasper Jones?
meine Dinge. Schleuderte Sachen herum und zerstörte sie. Sie fand das Manuskript meines Vaters auf dem Schreibtisch und riss es in Stücke. Verteilte es im ganzen Zimmer. Sie ging, aber nicht ohne vorher meinen Koffer aufzustöbern und zu öffnen. Das einzige Mal, dass ich ihn offen gelassen hatte. Sie kippte den Inhalt auf mein Bett, wühlte sich durch die wohlgehüteten Seiten und suchte vergeblich nach ihrem Namen. Den leeren Koffer zerrte sie zu ihrer Frisierkommode. Sie stahl ihn mir, auch wenn sie nichts Wertvolles besaß, was sie hätte hineinpacken können. Sie stopfte einfach ihre Kleider, ihren Schmuck und ihre Parfüms hinein, klaubte die Schlüssel vom Boden auf, dort, wo sie hingeschlittert waren, nachdem sie meinen Dad damit beworfen hatte. Und sie verkündete ihre Meinung bei offenstehender Haustür. Sie sagte meinem Vater endlich, was sie wirklich dachte. Ohne fadenscheinige Andeutungen oder billige Umschreibungen. Sie brachte endlich hervor, was sie zu sagen hatte.
Natürlich überraschte das meinen Vater nicht. Er wusste, dass sie hier unglücklich war, er wusste sogar, mit wem sie sich getroffen hatte. Er kannte alle ihre kleinen Geheimnisse, sämtliche Löcher, die sie sich gegraben hatte. Ich bin mir nicht sicher, wann er es begriffen hatte. Vielleicht wusste er schon die ganze Zeit über Bescheid. Auch wenn ich mich oft frage, warum er es für sich behielt. Vielleicht dachte er, es mache sie glücklich. Oder es war einfacher für ihn, alles achselzuckend unter den Teppich zu kehren und so zu tun, als wäre nichts. Vielleicht wollte er mir auch den Kummer ersparen. Mich vor der Trennung und dem Schmerz bewahren. Ich weiß es nicht. Vielleicht hoffte er, dass sie aus eigenem Antrieb aufhören würde. Dass sie sich besinnen, ihren Fehltritt gestehen und sie wieder zusammenwachsen würden. Vielleicht glaubte er auch nach wie vor an den Bund, den sie eingegangen waren, an die Unveräußerlichkeit der Treue, und hielt deshalb weiter die Stellung, selbst als sie sich abwandte und ihm Hörner aufsetzte.
Ich weiß es nicht.
Auf jeden Fall schritt er nicht ein, als sie meinen Koffer zum Auto zerrte. Er flehte sie nicht an zu bleiben. Er stand auf der Veranda und sah ihr ungerührt zu. Er ließ sie gehen. Er durchtrennte die Schnur an seinem Finger und beobachtete, wie sie davonbrauste und für immer fortfuhr. Sie war frei von allen Fesseln; sie kappte die Verbindung zu dieser Stadt, die sie vom ersten Tag an gehasst hatte.
Und sie ist nicht zurückgekommen. Nicht einmal in zwei Wochen. Sie ist in die Großstadt zurückgekehrt und lässt sich von ihrer Familie verhätscheln. Sie ist wieder das verzogene Mädchen. Sie haben ihr ein Haus für sich allein gegeben, voll mit Möbeln und Tand und mit einer Putzfrau, die jeden Freitag kommt. Vielleicht dachte sie, dass wir ihr folgen und sie vor ihrer Familie bloßstellen würden.
Seitdem hat sie nur einmal mit meinem Vater telefoniert. Sie hat ihm gesagt, sie komme nicht zurück. Und er hat ihr geantwortet, dass er sie auch nicht darum gebeten habe. Allerdings hat er sie gedrängt, mit mir zu reden und zu versuchen, die Dinge ins Lot zu bringen. Doch sie hat abgelehnt. Warum, hat sie nicht gesagt. Vielleicht schämt sie sich zu sehr. Oder es hängt ebenfalls damit zusammen, dass sie jetzt frei ist. Sie hat auch mich abgeschnitten. Eine ganze Handvoll losgelassener Drachen, die sich über den Himmel verteilen können.
Es ist jetzt also recht merkwürdig zu Hause. Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits wünsche ich mir, dass sie zurückkommt, weil etwas Vertrautes fehlt, andererseits finde ich allmählich Gefallen an dem neuen Arrangement mit meinem Vater. Wir lernen beide, für uns selbst zu sorgen. Natürlich kann Dad ums Verrecken nicht kochen, daher habe ich das übernommen. Kochen ist eine Frage der Durchführung: Man muss wissen, wann und in welcher Dosis etwas hinzugefügt wird. Das Timing ist entscheidend. Und das gefällt mir. Wirklich.
Wie es aussieht, hat Dad Freude daran, Dinge ordentlich und sauber zu halten, also kümmert er sich um den Abwasch, das Putzen und die Wäsche. Er genießt die schlichte Befriedigung, etwas wegzuwischen und frische Sauberkeit herzustellen.
Mir war nicht bewusst, dass seine Resthaarfrisur nicht seine Idee gewesen war. Wenige Tage nachdem meine Mutter gegangen war, ließ er sich die Haare kurz schneiden und seine Glatze glänzen. Sogar einen ordentlichen Bart lässt er sich wachsen. Er sieht aus wie eine
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