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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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Straftäters dem Schutz der Gesellschaft. Und schließlich beinhaltet eine Freiheitsstrafe den Aspekt der Resozialisierung (indem zum Beispiel nach Wohlverhalten ein Teil der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird).
    Die Abschreckung ist also nur eines von vielen Zielen eines Freiheitsentzugs. Aber gerade bei Sexualtriebtätern greift sie wegen des mangelnden Lerneffekts wenig. Eine einfache Erhöhung des Strafmaßes hätte also bei solchen Delinquenten meist nicht den gewünschten erzieherischen Erfolg.
    Was den Aspekt der Sühne angeht, hat nach unserer Rechtsprechung ein psychisch kranker Täter, dem eine verminderte Schuldfähigkeit zugestanden wird, sogar ein kürzeres Strafmaß verdient als ein Gesunder, weil seine Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit aufgrund von Faktoren eingeschränkt sind, für die er nichts kann (etwa genetische oder entwicklungsbedingte Schäden). Und ein Schizophrener, dem Aliens vom Doppelsternsystem Alpha Centauri befohlen haben, eine ihm völlig fremde Passantin niederzustechen, ist nach unserer heutigen Auffassung völlig schuldunfähig; seine Tat muss nicht «gesühnt» werden. So schwer es für die Opfer ist, muss man solche Tötungen als eine Art schrecklichen Unfall der Natur ansehen.
    Aber so wenig, wie antisoziale Persönlichkeiten auf Bestrafung reagieren, so lernen sie auch nicht aus Belohnungen. Gewährt der Psychiater in der forensischen Klinik eine Verbesserung der Ausgangsstufe, wertet der antisoziale Patient das nicht als Aufforderung, dieser Lockerung würdig zu sein, sondern im Gegenteil als Schwäche oder Naivität des Arztes.
    Und so entsteht ein Dilemma: Ein persönlichkeitsgestörter Delinquent hat vielleicht einerseits wegen seiner psychischen Probleme eine eher kürzere Haftstrafe verdient, sollte aber andererseits eher länger als ein Gesunder hinter Schloss und Riegel gehalten werden, weil von ihm eine höhere Rückfallgefahr ausgeht.

Apfelkuchen im Hochsicherheitstrakt
    «Frank ( 47 ), Löwe, evangelischer Christ mit Interesse an Esoterik, vom Schrecken der Menschen zu Gottes Kind geworden. Möchte noch einmal das Wunder der Liebe erleben. Äußerlich gefangen, aber innerlich frei, erwarte ich Eure Post.» So beschreibt sich Schmökel in einer Kontaktanzeige in der Astrozeitschrift «Zukunftsblick». [80] Aber der Patient hatte auch ohne solche Annoncen Kontakt zu zahlreichen Frauen. Diese Kontakte waren das Hauptthema meines Gesprächs mit dem Mehrfachtäter.
     
    Auf dem Gelände der Landesklinik in Brandenburg befindet sich die forensische Abteilung. Die Justizvollzugsanstalt Stammheim erscheint dagegen nur unzureichend gesichert. Der Grund, warum dieser Teil des Krankenhauses mit Millionenaufwand zur Festung umgebaut wurde, heißt Frank Schmökel. Mein Mobiltelefon und der Laptop müssen ins Schließfach. Metalldetektor, Schleuse, Durchsuchung. Ich werde ins Besucherzimmer geführt. Links und rechts neben dem Claude-Monet-Bild gibt es große rote Alarmknöpfe. Beim Gespräch ist ein Pfleger dabei. Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache. Könnte ich Opfer einer Geiselnahme werden?
    Die Atmosphäre entspannt sich aber sofort, als Herr Schmökel mit Apfelkuchen und Tee in den Raum tritt und mich freundlich anlächelt.
    Ich habe vor, über die unglaubliche Faszination, die ein Mörder und Vergewaltiger auf Frauen ausübt, zu reden. Ich frage Frank Schmökel, ob es richtig ist, dass er häufig Besuch von Frauen erhält, die ihn besuchen wollen.
    Das stimme, berichtet Schmökel, es habe einmal Zeiten gegeben, in denen sich bis zu fünfzig Frauen und Männer um ihn gekümmert hätten, manche schrieben Briefe, einige hätten ihn regelmäßig besucht. Nicht alle Schreiben seien positiv, einige zeigen ihre Empörung über seine Taten und enthielten «Schwanz ab!»-Forderungen, aber die meisten Frauen schrieben Sätze wie «Ich finde Sie sexy … Sie sind mir sympathisch … Danke für Ihre einfühlsamen Worte». Allerdings mache er sich da nichts vor, die Faszination gehe nicht von seiner Person aus, dahinter stecke wohl eine gewisse Sensationslust. Manche der jungen Mädchen hätten es nur auf sein Autogramm abgesehen, um von ihrer Clique Beifall zu bekommen. Eine Zwölfjährige habe ihm fünf Jahre lang Briefe geschickt. Zwei Brieffreundinnen aus Sachsen, vierzehn und fünfzehn, hätten ihm versichert, dass sie, als über seine Flucht durch die Wälder in ihrer Nähe im Fernsehen berichtet wurde, in den Forst gelaufen seien und überall herumgeschrien hätten:

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