Wer hat Angst vorm bösen Mann?
«Frank, komm raus, wir haben keine Angst vor dir, wir helfen dir, dich zu verstecken» – eine Art pubertäres Abenteuer. Eine Vierundzwanzigjährige namens Ramona [6] , die ihm ständig Briefe geschickt habe, sei eine Prostituierte, die wohl nur in die Presse gewollt habe. Sie habe auch einmal behauptet, sie sei eine uneheliche Tochter von Roy Black. Mit der wolle er nichts zu tun haben.
Viele der Frauen hätten einen Beschützerinstinkt gehabt und ihm deshalb geschrieben. Manche von den älteren Frauen mit einem missratenen Sohn oder Enkel hätten dann bei ihm etwas wiedergutmachen wollen.
Er habe Kontaktanzeigen aufgegeben und viele Briefe erhalten, meist von alleinstehenden Frauen. Vorsorglich habe er die Frauen gebeten, ihm ein Bild von sich zu schicken, denn viele von ihnen seien übergewichtig gewesen, das sei nichts für ihn gewesen. So habe sich eine Sechzehnjährige, die auch ziemlich dick und auf ihre schlanken Freundinnen neidisch gewesen sei, bei ihm ausgeweint.
Aber in einigen Fällen habe sich auch eine echte Freundschaft entwickelt. Mit einer vierzehn Jahre jüngeren Frau, die auf ältere Männer gestanden habe, habe er eine echte Liebesbeziehung gepflegt, die auf Gegenseitigkeit beruht habe. Sie habe eine Krebserkrankung überstanden und einen schweren Unfall beim S-Bahn-Surfen gehabt. Sie habe niemandem von ihrer Liebesbeziehung zu Frank Schmökel erzählt. Durch einen Fernsehfilm sei aber doch etwas an die Öffentlichkeit gelangt; danach habe sie Drohanrufe erhalten, weil sie sich mit einem Mörder eingelassen habe. Mit dieser Frau sei er sogar verlobt gewesen. Zur Verlobung habe er zwei statt der üblichen einen Stunde Besuchserlaubnis bekommen, und die Bewacher, die sonst immer anwesend sein mussten, hätten sich dezent aus dem Besucherzimmer entfernt.
Eine seiner Freundinnen sei selbst früher einmal vergewaltigt worden. Vielleicht habe sie von ihm eine Antwort erwartet, die sie von dem Täter nicht bekommen habe, so Schmökel. Durch die Vergewaltigung habe sie ein Kind gekriegt, das dann gestorben sei. Sie sei mit einem gewalttätigen Mann verheiratet gewesen. Sie habe Schmökel gebraucht, um den Mut zu finden, sich von diesem Mann zu lösen. Umgekehrt habe sie ihm aber auch geholfen. Sie habe aber immer alles im Griff gehabt, und das sei gerade das Problem gewesen. Dadurch habe sie Schmökel an seine Mutter erinnert, und so habe er die Beziehung abbrechen müssen.
Ein Mädchen habe wohl selbst eine Borderline-Störung gehabt, sie sei drogensüchtig gewesen und habe sich an den Armen selbst verletzt. Ihre Narben seien viel schlimmer als seine – dabei zeigt mir Schmökel einige alte Narben von Selbstverletzungen auf seinen Unterarmen.
Eine Siebenundzwanzigjährige, die Theologie studierte, habe wohl erwartet, dass er sie im Besucherzimmer aufs brutalste vergewaltige. Die habe einen Sadomaso-Freund gehabt. Diese Frau habe sich sehr enttäuscht gezeigt, dass immer ein Pfleger beim Besuch dabei sein musste, und habe ihm deshalb sogar Vorwürfe gemacht, da ihre Erwartungen anders gewesen seien.
Ich frage den Mehrfachvergewaltiger, ob sich seine Phantasien jetzt nach so vielen Jahren Therapien verändert haben. Er räumt ein, dass sich seine Vorlieben wohl weiterhin auf Sex mit elf- bis dreizehnjährigen Mädchen beziehen. Er könne es nicht verdrängen. Er schäme sich dafür, aber er glaube nicht, dass das durch eine Therapie weggehen könne. Er habe einmal in der Klinik in Neuruppin Verkehr mit einer vierzigjährigen Patientin gehabt, er sei damals achtunddreißig gewesen. Das sei wie ein Test gewesen, er habe wissen wollen, ob er pädophil sei. Aber er habe damit nichts anfangen können. Er müsse nur lernen, damit umzugehen, also dass er zwar daran denke, es aber nicht praktiziere – wie ein Alkoholiker, der nie das Verlangen verliert, aber doch aufhören müsse zu trinken. Er halte nichts von dem «Gequatsche» mancher Patienten, mit dem sie ihren Psychologen vorgaukeln wollten, dass ihre Therapie jetzt erfolgreich sei und sie keine Sexphantasien mit Kindern mehr hätten. Von dem, was auf den Gängen geredet wurde, wisse er ja, was sie wirklich denken.
Nach einer Stunde ist die Besuchszeit abgelaufen. Die Pralinen, die ich Frank Schmökel mitgebracht habe, werden konfisziert, da manche Spuren von Alkohol enthalten.
Das Rotkäppchen-Syndrom
Frank Schmökel
«Frank ( 47 ), Löwe, evangelischer Christ mit Interesse an Esoterik»
Warum verlieben sich Frauen in einen Menschen wie
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