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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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aber Verläufe solcher Täter beobachtet, die über mehrere Jahre lang dreimal pro Woche Therapiestunden hatten und die trotzdem beim ersten Ausgang versuchten, ein Mädchen zu überfallen.
    Als ich mich einmal mit einem erfahrenen Therapeuten über einen Pädophilen unterhielt, dessen Therapie nach Jahren keinerlei Änderung hervorgerufen hatte, meinte der resigniert: «Ehrlich gesagt, wenn du es schaffen könntest, Lutz G. von seiner Vorliebe für kleine Jungs auf erwachsene Frauen umzulenken, dann wäre das, als würde ich deine sexuellen Präferenzen auf junge Dackel umpolen wollen.»
    Und das ist nicht verwunderlich, wenn man sich die EOS -Theorie vor Augen hält. Denn Gespräche haben wenig Einfluss auf die archaischen Anteile des Gehirns, wie wir gesehen haben. Zu tiefgreifend und hartnäckig sind die abartigen Phantasien der Täter, als dass man sie einfach durch Unterhaltungen verschwinden lassen könnte.
    Die Delinquenten stimmen oft nicht freiwillig einer Therapie zu, sondern bekommen die Maßnahme vom Gericht auferlegt. Und ohne Kooperationsbereitschaft seitens des Patienten ist eine Psychotherapie von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn dann auch noch der Therapeut die richterlich verordneten Sitzungen für sinnlos hält, muss man nicht überrascht sein, wenn die Behandlung ohne Erfolg bleibt. «Hier findet überhaupt keine richtige Therapie statt», ist eine der Lieblingsentschuldigung von persönlichkeitsgestörten Tätern, meist ausgerechnet ausgesprochen von denjenigen, die schon unzählige Therapien abgebrochen und unterlaufen haben.
    Wird jemand nach der Therapie nicht wieder rückfällig, so wissen wir nicht, ob es an der Behandlung lag oder an anderen Gründen, zum Beispiel an der «Nachreifung» seiner Persönlichkeit. Und selbst wenn ein Täter in der Psychotherapie verbal bekundet, Fortschritte gemacht zu haben – woher wissen wir, ob wir ihn guten Gewissens freilassen können? Woher nehmen wir die Gewissheit, dass der Dämon nicht weiter in ihm schlummert und nach einer Zeit der trügerischen Ruhe wieder zuschlägt? Es ist also ein extrem schwieriges Unterfangen, die Wirksamkeit von Psychotherapien bei solchen Tätern zu überprüfen. Man kann ja wohl kaum die Vergewaltiger freilassen, um zu schauen, was passiert – dann würden möglicherweise Mädchen oder Jungen im Dienste der Wissenschaft ihr Leben lassen.

Die chemische Kastration
    Eine andere, weniger eingreifende Methode zur Triebdämpfung ist die Behandlung mit Medikamenten wie Cyproteron, die auch «chemische Kastration» genannt wird. Viele Sexualdelinquenten werden mit diesem Arzneimittel, das die Produktion des männlichen Hormons Testosteron drosselt und so den überstarken Sexualtrieb zügelt, erfolgreich behandelt. Es hat jedoch den Nachteil schwerwiegender Nebenwirkungen wie Leberversagen oder – in seltenen Fällen – bösartige Tumoren. Weitere Medikamente, etwa Triptorelin, können ebenso zur Triebdämpfung eingesetzt werden. Allerdings kann auch deren Wirkung durch eine Hormongabe rückgängig gemacht werden.
    Bei bestimmten sadistischen Verbrechern lösen Kastration und Medikamente aber nicht ein Hauptproblem: Täter, die Frauen und Kinder schänden und dann ermorden, tun dies manchmal nur aus purer Lust am Töten, um das Opfer zu erniedrigen und die eigene Übermacht zu demonstrieren. Anzeichen dafür, dass sadistische Täter auf diese Weise angetrieben werden, sind gegeben, wenn beispielsweise ein Mörder das Opfer nach seinem Tod zerstückelt, ihm die Haut abzieht oder seine Geschlechtsteile verstümmelt. «Overkill» nennen es Kriminologen, wenn ein Delinquent wie ein Berserker auf die Leiche einhackt. Solche Gewaltphantasien werden durch Verminderung der Hormonproduktion nicht beeinflusst. Es kann sogar sein, dass der Delinquent nach der operativen oder chemischen Kastration zwar keine sexuelle Lust bei der Tat mehr empfindet, dafür aber umso bestialischer Gewalt ausübt.
    Natürlich sucht man nach neuen Behandlungen, um einen überstarken Sexualtrieb behandeln zu können, die einerseits sicher wirken und andererseits keine gefährlichen Nebenwirkungen haben. Naltrexon, das Medikament, das das endogene Opiatsystem blockiert, wurde bisher nur in einer kleinen Studie angewendet. Bei jugendlichen Sexualtätern, die bis zu elfmal am Tag onanierten, reduzierte sich die Masturbationsfrequenz durch Naltrexon erheblich. [107] Es fehlen aber noch Studien, die zeigen, ob das Medikament auch wirklich die

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