Wer hat Angst vorm bösen Mann?
Frank Schmökel? Bemerkenswert ist, dass er nicht nur einen Typus, sondern gleich fünf verschiedene Kategorien von Frauen amateurpsychologisch beschrieb, die Vergewaltiger und Kindsmörder im Bau besuchen. Dabei benutzte er eine einfache Sprache, die aber das Phänomen genau und feinfühlig sezierte.
Als Erstes charakterisierte er Frauen mit einem eklatanten Mangel an natürlichem Schamgefühl, die eine Chance darin sehen, durch ihre bizarre Liaison mit einem Monster ohne großen Aufwand in die Medien zu kommen – wenn das Talent für Castingshows nicht reicht. Für sie ist der Häftling nur das Mittel zum Zweck. Doch die meisten «Knastbräute» verheimlichen ihre bizarre Liebe aus Angst vor Drohanrufen.
Kategorie zwei waren nach Schmökel die Frauen, die vielleicht bisher Pech in der Liebe hatten, auf der verzweifelten Suche nach einem Partner sind und ihn im Gefängnis finden. Zum dritten Typus zählte er die Frauen, deren Denken man als AMIGA -Syndrom bezeichnen könnte («Aber meiner ist ganz anders.») Diese Frauen glauben an das Gute im Menschen: «Er hat früher Mist gebaut, jetzt ist er aber geläutert, und durch meine Liebe findet er seinen inneren Frieden.» Dabei blenden sie oft alle Warnungen ihrer Umgebung aus. Sie fühlen sich zusammen mit ihrem Partner von einer Mauer von hartherzigen Menschen umgeben, die sich von ihrem Vorurteil «Einmal Mörder, immer Mörder» nicht abbringen lassen. Eine solche Frau wertet sich durch die Betreuung des Häftlings auf, weil sie meist die einzige Person ist, die ihn besucht. So hat sie vielleicht zum ersten Mal im Leben das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden. Nicht selten sind diese Frauen tiefreligiös und versuchen, ihren straffälligen Geliebten zu bekehren.
Zur vierten Kategorie, die Schmökel erwähnte, gehören Frauen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Wegen der Nähe der beiden Störungsbilder – wenn man davon ausgeht, dass der Täter eine antisoziale Persönlichkeit hat – haben beide Partner dann mehr Verständnis für die problematischen Seiten des anderen. Seltsam ist, dass es sich bei diesen Frauen vielfach um solche handelt, aus einem Milieu stammen, in dem Gewalt und sexueller Missbrauch an der Tagesordnung sind, und die vielleicht selbst einmal Opfer einer Vergewaltigung waren. Vielleicht haben sie die paradoxe Hoffnung, durch die eigenartige Verbindung mit dem Gewalttäter ihre eigene unselige Vergangenheit aufzuarbeiten.
Unter dem fünften von Schmökel erwähnten Typus fallen Frauen, die vom «Rotkäppchen-Syndrom» befallen sind. Sie lassen sich durch das Dunkle, Bedrohliche und Gewalttätige faszinieren, das von ihrem geliebten Monster ausgeht. Möglicherweise ist es eine unbewusste Art, eigene Ängste abzubauen, denn sie können ja wie eine Dompteuse im Zirkus das gefährliche Raubtier im Käfig beziehungsweise Knast zähmen. Wann immer sie wollen, können sie das Besuchsrecht wahrnehmen – oder davon Abstand nehmen. Trotz der unheimlichen Bedrohung fühlen sie sich sicher, solange der Täter hinter Gittern ist.
Aber darauf kann man sich nicht immer verlassen.
Sind Sexualdelinquenten heilbar?
Unter Sexualdelinquenten, vor allem unter solchen mit Tötungsdelikten, findet man eine hohe Rate von antisozialen Persönlichkeitsstörungen. [88] , [89] Besonders bei dieser brandgefährlichen Mischung ist kein allzu großer Enthusiasmus hinsichtlich der Therapiefähigkeit angebracht.
«Wenn ich den Mut gefunden habe, dieses Martyrium zu rekonstruieren», schrieb Sabine Dardenne, die mit zwölf Jahren von dem berüchtigten belgischen Kinderschänder Marc Dutroux entführt worden war, in ihrem Buch
Ihm in die Augen sehen
, «dann vor allem deshalb, damit kein Richter mehr Pädophile nach Verbüßung der Hälfte der Haftstrafe wegen ‹guter Führung› und ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen entlässt.» Als Betroffene, die einen antisozialen Täter hautnah miterlebte, hat sie alle Illusionen verloren. «Straffähig? Therapierbar? Diese Haltung zeugt von einer erschreckenden Weltfremdheit», schrieb die junge Frau nach ihrem Martyrium. [90]
Wird ein Täter wenige Tage nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug wieder rückfällig, wird das gern stereotyp auf «zu wenig Psychotherapie» zurückgeführt. Man müsse nur «mehr Therapieplätze schaffen», wird daraufhin wiederholt in den Medien gefordert, eine erfolgreiche Behandlung sei nur eine Frage des Geldes. Das klingt nach einer einfachen Lösung. Ich habe
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