Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
funktionierte so lange, bis Inka den Schlussstrich auf ihre Weise zog.
Ich konnte mir Svens Familienhölle lebhaft gut vorstellen und erzählte ihm von einem Samstagvormittag, den ich vor einigen Monaten – damals lebte ich noch in Zehlendorf – bei unseren besagten Nachbarn, den Königs, verbracht hatte:
Weil Mark übers Wochenende verreist war, hatte Sandra König meine Kinder und mich zu sich zum Frühstück eingeladen.
Sandra, eine studierte BWLerin, hatte ihren Job in der Perso nalabteilung eines Versicherungsunternehmens nach der Geburt ihres ersten Kindes an den Nagel gehängt. Das Arbeiten vermisste sie nicht.
»Für den Spagat zwischen Karriere, Kindern und Ehemann fehlt mir ein drittes Bein«, pflegte sie betont scherzhaft zu sagen, wenn sie wieder einmal ihre Qualitäten als besonders bemühte Ehefrau und bekennende Eislaufmutter herausstellte.
Sandra war überzeugt davon, dass man heutzutage als Mutter tatkräftig dabei mithelfen müsse, seine Kinder auf die global zusammengewachsene Welt im digitalen Zeitalter optimal vorzubereiten. Deshalb hatte sie ihren sechsjährigen Sohn zu Beginn der ersten Schulklasse für die Schach-AG mit Vorkenntnissen angemeldet und ihre vierjährige Tochter für den Kita-Crashkurs Kinder auf der Überholspur.
Dass sich beide Kinder gleichermaßen zum potenziellen Bundeskanzler-Nachwuchs eigneten und sie ihnen für ihr Hochschulstudium zwecks weiterer Unterstützung auch in eine andere Stadt hinterherziehen würde, stand für Sandra außer Frage.
Sandras Mann Fritz König, ein phlegmatischer Konfliktaus weicher, hatte sich an jenem Morgen dazu breitschlagen lassen, während unseres »Weiberfrühstücks«, wie Sandra es nannte, den obligatorischen Familiengroßeinkauf sowie die Reinigung von Sandras dunkelgrauem VW-Touran inklusive der Polster- und Felgenpflege zu übernehmen.
Während Fritz sich durch den Einkaufsdiscounter drängte und die Kinder zusammen im Garten spielten, wollten Sandra und ich uns gemütlich mit Croissants und Kaffee zurücklehnen. So jedenfalls war der Plan.
Von der erhofften Plauderatmosphäre war dann aber nichts zu spüren. Drei geschlagene Stunden lang kam ich nicht ein einziges Mal dazu, einen Satz zu Ende zu führen oder von Sandra etwas Zusammenhängendes zu erfahren, da sie wie manisch damit beschäftigt war, ihre Kinder und/oder ihren Haushalt zu optimieren. Insgesamt hat sie während dieser Zeit vierzehnmal einem der Kinder die Rotznase geputzt; zweimal einem ihrer Kinder ein neues Poloshirt angezogen, da sie sich mit Kakao befleckt hatten (und Kakao muss man, so belehrte mich Sandra, sofort mit heißem Wasser auswaschen); achtmal die Zierkissen der Sofas neu drapiert, nachdem die Kinder sie beim Toben zerknautscht hatten; fünfmal die Falten der Seidenduchesse-Vorhänge zurechtgezupft, nachdem eines der Kinder zu nah an ihnen vorbeigerannt war; vierzig- bis fünfzigmal mit den Kindern geschimpft, dass sie beim Spielen in ihren Zimmern bleiben sollen; vierzehnmal ihrer Tochter die schwarze Samthaarschleife neu in die Haare gesteckt (die sich die Kleine immer wieder herausriss – was ich persönlich sehr gut nachvollziehen konnte).
Als Fritz König nach Hause zurückkehrte, war Sandra fix und fertig mit ihren Nerven und beklagte sich ausgelaugt darüber, wie anstrengend der Nachwuchs wieder mal gewesen war.
Fritz nickte stoisch – offenbar musste er sich das ständig anhören.
Dann rief er alle Kinder ins Esszimmer, weil er ihnen Eis mitgebracht hatte. Für jedes Kind einen kleinen Pappbecher mit jeweils einer Kugel Vanille- und einer Kugel Schoko-Eis und als Topping bunte Streusel und ein Gummibärchen.
Während die Kids sich begeistert über das Eis hermachten, zog Sandra ihren Mann zur Seite:
»Warum hast du denn jedem gleich zwei Kugeln Eis mitge bracht?«, zeterte sie ungehalten und erhob dabei ihre grelle Stimme.
» Eine Kugel ohne die Streusel hätte doch gereicht. Der In dustriezucker führt dazu, dass die Kinder überdrehen, aber das ist dir ja egal, weil ich diejenige bin, die das wieder ausbaden muss!«
Ich schämte mich fremd für Sandras impulskontrollge störtes Aufbrausen wegen Nichtigkeiten.
Oder lag ich vielleicht falsch, weil man heutzutage als beson ders bemühte Ehefrau auch tatkräftig mithelfen muss, seinem Gatten die von Pestiziden unterwanderte Umwelt optimal zu vergegenwärtigen?
Sven war meiner Anekdote mit einem Anflug von Traurig keit gefolgt. Dann bestätigte er mir, ich hätte den Nagel auf den
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