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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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auszugehen machte Spaß, und ich freute mich schon darauf, ihn ein zweites Mal zu treffen – bis Thilo mir gegen Ende des Abends gestand, nur zu fünfzig Prozent Single zu sein. Um die schöne Stimmung zwischen uns nicht zu versauen, hatte er das nicht eher erwähnen wollen.
    Mein nächstes Blind Date Jörg, mit dem ich am Sonntag frühstücken ging, steuerte sein Ziel wagemutiger an. Kaum hatte ich mich zu ihm gesetzt, packte er den Stier bei den Hörnern. Er erklärte mir, keine feste Beziehung zu suchen, sondern eine Frau, die ihn in Swingerclubs begleitete, in Reizwäsche vor ihm strippte, sich beim Sex mit ihm filmen ließ und sich nicht zierte, ihm Jelly-Anal-Plugs in den Po zu rammen. Sollte ich zu all dem nicht bereit sein, wäre unser Treffen reine Zeitverschwendung.
    Der fünfte und letzte Mann, dem ich eine Chance gab, hieß Ulf und schwärmte als Gesprächsauftakt von seinem letzten Wochenende, an dem er mit einem alten Kumpel im Schrebergarten seiner Eltern neben dem Koi-Karpfen-Teich Schweinenackenkoteletts gegrillt hatte. Als wenig später herauskam, dass er mit sechsunddreißig Jahren immer noch das Verwöhnprogramm im Hotel Mutti genoss, fingierte ich einen dringenden Babysitter-Anruf und brach die Verabredung ab.
    War das die Realität?, fragte ich mich missmutig, während ich meinen Internet-Account wieder löschte. Hatte ich wirk lich nur die Auswahl zwischen Blendern, Lügnern, lucky Losern, Langweilern und anderen Gestörten, die vor fünfunddreißig Jahren auch noch keine Frau abgekriegt hatten?
    Oder hatte ich die persönlichen Fragen für meinen Account zu ehrlich beantwortet? Gehörte es dazu, dass man seine Identität beschönigte, weil Männer mit einem wahrheitsgemäßen Auftritt nicht zurechtkamen?
    Aus reiner Neugierde, bei was für Männern ein ganz anderer Frauentyp als ich landen würde, startete ich mein Internet-Dating-Experiment noch mal von vorn – dieses Mal wieder bei dem Portal www.zweite-runde-fuer-die-liebe.de .
    Hier legte ich mir einen Account unter dem Namen »Antje Kemper« zu. Für die Fragen, denen ich mich, alias Antje, stellen musste, ließ ich meiner Fantasie freien Lauf.
    Finanziell abgesichert war sie, die fiktive Antje, die fest angestellt als Apothekerin arbeitete. Sie hatte eine zehnjährige Tochter, die hälftig beim Vater lebte, und wohnte in einer großzügigen Wohnung, in der sie ihren Bereich strikt von dem ihrer Tochter trennte. Antje hatte keine Haustiere, kochte und backte gern in ihrer Freizeit, hörte Kuschelrock und genoss lange Spaziergänge. Postnatale körperliche Verschleißerscheinungen hatte sie ebenso wenig wie Ansprüche an ihren zukünftigen Liebhaber. Eifersuchtsanfälle und Spionagetätigkeiten waren für sie Fremdwörter. Antjes einziger Wunsch war, sich in ihren kittellosen Momenten an einen beschützenden Mann schmiegen zu dürfen.
    Da am nächsten Vormittag das Gespräch mit meinem Exchef Roger Kanitz endlich stattfand, vertagte ich die Analyse meines Experiments.
    Auf dem Weg durch das Büro-Loft in Mitte, in dem ich früher gearbeitet hatte, traf ich meine ehemaligen Kollegen wieder, die sich gespannt nach meinem Leben erkundigten. Als ich ihnen sagte, wie dringend ich Arbeit suchte, verstummten sie jedoch und wichen meinem Blick aus.
    »Findest du es deinen Kindern gegenüber nicht unfair, wenn du wieder fulltime arbeiten willst?«, meldete sich lediglich mein Exkollege Hagen zu Wort.
    Ich bemühte mich um Gelassenheit. Auf eine Diskussion darüber, dass sich die Karrierefrau zwar inzwischen gesellschaftlich etabliert hat, die Karrieremutter aber noch lange nicht, wollte ich mich nämlich gar nicht erst einlassen.
    »Schön, dich wiederzusehen!«, empfing mich Roger Kanitz herzlich, der mit seinen grau melierten Haaren trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch attraktiv war.
    Roger wirkte ausgeglichener als früher, und gleich zu Beginn unseres Gesprächs erfuhr ich hierfür den Grund: Er und seine dreißig Jahre jüngere russische Freundin erwarteten ihr erstes Kind. Als ehemals arbeitswütiger und eingefleischter Junggeselle war Roger jetzt nicht nur völlig vernarrt in die Frau an seiner Seite, sondern auch schon in das Baby, das noch gar nicht geboren war.
    Schon wieder eine Russin, dachte ich, da Roger mit seiner Frauenwahl wieder mal unter Beweis stellte, dass die Russinnen in der Kategorie Männerfang inzwischen selbst den Yogalehrerinnen den Rang abgelaufen haben. Oft hatte ich mich gefragt, ob das Geheimnis

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