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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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zwischen Dexter und seiner Exfrau schwierig war. Ihre beiden Kinder Liv und Noah lebten abwechselnd je eine Woche bei ihrer Mutter beziehungsweise ihrem Vater. Dexters Erzählungen nach vergaß Sina jedoch regelmäßig, ihm bei der Übergabe der Kinder wichtige Informationen mitzuteilen. Und da die Kinder zu klein waren, um sich selbstständig um ihre Hausaufgaben, das Mitnehmen ihrer Sportsachen etc. zu kümmern, kam es immer wieder zu Konfusionen. Außerdem erfuhr Dexter von wichtigen Veranstaltungen, wie dem er wähnten Elternabend, oft erst dann, wenn es zu spät war. Dann ärgerte er sich zum einen über Sina, die ihm die Informationszettel der Kinder vorenthielt. Andererseits konnte er auch nicht nachvollziehen, warum es im digitalen Zeitalter immer noch Lehrer und Erzieher gab, die Kopien austeilten, anstatt die Eltern per E-Mail auf dem Laufenden zu halten.
    »Ich kann verstehen, dass das nervt«, sagte ich.
    Andererseits fanden an Berliner Schulen so viele Elternabende und andere Events statt, dass ich an Dexters Stelle froh gewesen wäre, wenn ich mein Fernbleiben damit rechtfertigen könnte, dass mir niemand Bescheid gesagt hatte.
    Ich berichtete Dexter von einer Bekannten von mir, die die Events ihrer vier Kinder während eines Schuljahres addiert hatte. Da ihre Kinder altersmäßig weit auseinanderlagen – eins ging noch in die Kita, das nächste in die Grundschule, und die beiden älteren jeweils auf ein musisch beziehungsweise technisch orientiertes Gymnasium –, besuchte sie innerhalb von zwölf Monaten sechzehn Elternabende (pro Schule beziehungsweise Kita zwei pro Halbjahr), zwölf Weihnachtsfeiern (eine pro Schule beziehungsweise Kita plus eine pro Sportverein und eine pro zusätzlichem Hobby der Kinder), zwölf Sommerfeste, eine Halloween-Party, einen St.-Martins-Umzug, ein Nikolausfest, eine Karnevalsparty und eine Ostereiersuchsuchaktion (Kita), vier weitere Gemeinschaftsevents (mit Eltern, Kindern und Lehrern beziehungsweise Erziehern) zur Verbesserung der Gruppendynamik (je zwei pro Grundschule und Kita) sowie vierundzwanzig Abschlusspräsentationen am Ende einer Ferien-Tagescampwoche (weil meine Freundin freiberuflich tätig war, schickte sie ihre Kinder in sechs von den insgesamt vierzehn Schulferienwochen in Tagescamps).
    Amüsiert zitierte Dexter eine ähnliche Rechnung eines Freundes, der mit seiner neuen Frau und insgesamt sieben Kindern in einer Patchwork-Konstellation zusammenlebte. Der war auf eine Arbeitswoche mit fünfzig Stunden abzüglich der zulässigen Kaffeepausen gekommen, als er den zeitlichen Aufwand für die Verwaltung aller Sondertermine der Kinder plus die von Schulen, Kindergärten und Vereinen an die Elternhäuser delegierten To do’s zusammengezählt hatte.
    »Es gibt noch was, worüber ich mir dir sprechen möchte«, wechselte Dexter schließlich das Thema. »Dazu muss ich dir aber erst etwas zeigen … Und keine Sorge, ich habe verstanden, dass du nicht mehr zu haben bist«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Weil Dexter ohne Auto unterwegs war, nahmen wir meinen Wagen und parkten am Helmholtzplatz. Er schloss die Haustür eines Altbaus auf und führte mich in eine renovierungsbedürftige Dachwohnung mit fünf Zimmern.
    »Die gehört seit gestern mir. Sina und ich haben unser Haus in Detroit verkauft, und ich habe meinen Anteil hier reingesteckt.«
    Ich beglückwünschte Dexter zu seiner Investition.
    »Jetzt zeige ich dir das Beste.«
    Dexter wies mir den Weg auf die Terrasse, wo ich ihm über eine Leiter auf das Dach des Hauses folgte. Dort tat sich eine Dächerlandschaft auf, wie man sie aus Downtown N.Y. kennt. Dexter berichtete mir, dass seine Nachbarn die Dächer wie Gärten nutzten und dass man hier oben einmal um den ganzen Block spazieren konnte. Beides war zwar nicht erlaubt, aber jeder tat es.
    Da es zu regnen begann, kletterten wir zurück in die Woh nung. Ich sah mich in den heruntergekommenen Zim mern um.
    »Was glaubst du, wie lange die Renovierung dauern wird?«
    »Wenn du zu den Retro-Shabby-Chic-Anhängern gehörst, ist das in wenigen Tagen erledigt.«
    Dexter erklärte mir, dass er sein neues Zuhause solide sanieren wollte.
    »Deshalb wollte ich dich fragen, ob du die Planung übernehmen willst.« Erwartungsvoll sah er mich an.
    »Gegen Bezahlung natürlich.«
    Innerlich jubelte ich. Anouk hat völlig recht mit ihrer Success-breeds-success -Theorie, dachte ich und sagte Dexter verbindlich zu. Natürlich hatte ich Lust, wieder als Architektin zu

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