Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
»Fröhliche Weihnach ten« zu und hoffte, dass niemand merkte, wie geheuchelt meine gute Laune war.
Als ich am Abend des zweiten Feiertags zur Weihnachts-Finissage meiner Fortbildungstruppe in der Pizzeria Due Forni erschien, waren Dexter und die anderen schon da. Dexter thronte an einem Kopfende des langen Tischs, und der einzige Platz, der noch frei war, befand sich vis-à-vis am anderen Kopfende.
Zu meiner Rechten und Linken saßen die beiden Twens unserer Klasse. Sie unterhielten sich über den Tisch an mir vorbei und versuchten sich mit ihrem Wissen über die Clubszene der Stadt zu übertrumpfen. Da ich ihrem Kräftemessen nichts hinzufügen konnte, bestellte ich mir etwas zu trinken und nahm mir schweigend ein Stück von der Gemeinschaftspizza. Ich sah zu Dexter am anderen Kopfende, der zu weit weg saß, als dass wir uns hätten unterhalten können, und beobachtete, wie er eine SMS in sein Handy tippte.
Wenige Sekunden später piepte mein Handy. Verwundert stellte ich fest, dass Dexter seine SMS an mich adressiert hatte, und las:
»Unwiderstehlich, gut aussehend und sinnlich …«
Ich sah Dexter an und formte mit meinen Lippen: »Danke für das Kompliment«, als mein Handy schon wieder summte.
»Tough, interessant und sexy … «, las ich dieses Mal.
Dexter lächelte mich an, ich lächelte zurück, und noch einmal flüsterte ich »danke«.
Jetzt ist es aber genug, dachte ich, als ein weiteres Piepen den Eingang einer SMS ankündigte, und spielte mit dem Gedanken, die neue Nachricht zu ignorieren. Wegen Dexters bohrendem Blick sah ich aber doch auf mein Handy.
»Selbstbewusst, humorvoll und einzigartig auf dieser welt …«, stand dort.
Ich schämte mich etwas für die Aufdringlichkeit von Dexters Anmache und deutete ihm per Handzeichen, dass es reichte. Dexter schien das jedoch nicht zu beeindrucken, da es schon wieder piepte.
»Genug von mir, wie geht es dir? Du wirkst in letzter zeit so traurig.«
Mir rutschte ein Kloß in den Hals, weil ich gleichzeitig hätte weinen und lachen können.
Später, als einige meiner Mitschüler schon gegangen waren und andere sich mit Schnäpsen ein Wetttrinken lieferten, nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich wortlos neben Dexter.
»Hast du eigentlich Silvester schon was vor?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
»Mein Freund hat mich verlassen, und ich hab Liebeskummer. Ein Date ist deshalb das Letzte, wonach mir zumute ist.«
»Verstehe.« Dexter lehnte sich entspannt zurück.
»Allerdings finde ich, man kann durchaus auch Silvester zusammen feiern, ohne miteinander ins Bett zu gehen.«
»Du gibst nicht gern auf, was?«, fragte ich und gestand mir ein, dass ich Dexters Überrumpelungstaktik ganz attraktiv fand. Sie war so erfrischend anders als das, was mir der zum Rückzug neigende Jesco geboten hatte.
»Stimmt. Soll ich dich um zwanzig Uhr abholen?«
»Okay«, stimmte ich zu.
Es gab drei Alkoholerlebnisse, die ich nie vergessen werde. Beim ersten war ich erst zwölf Jahre alt. Meine Mutter schickte mich in den Osterferien zu Großtante Hella aufs Land nach Schleswig-Holstein. Wie jedes Jahr fand dort am Osterwochenende ein Reitturnier statt, an dem Hella trotz ihrer achtundsiebzig Jahre teilnahm.
Als am Abend im Reiterstübchen gefeiert wurde, entdeckte ich süffigen Federweißen als mein neues Lieblingsgetränk. Der Wirt weigerte sich zwar, mir den Alkohol auszuschenken. Weil aber überall halb volle Gläser herumstanden, kam ich trotzdem literweise in den Genuss des Süßweins, dessen Alkoholgehalt man nicht schmeckt.
Das Nächste, woran ich mich erinnerte, war Hellas aufgeregte Stimme, die wie durch eine Nebelwand zu mir drang, während sie mir mit einer grellen Taschenlampe direkt ins Gesicht leuchtete. Ich öffnete die Augen und fand mich auf einem Misthaufen wieder. Um mich herum schien sich alles zu drehen. Ich sah Hella an und erwartete einen riesigen Anschiss. Doch das Gegenteil trat ein: Meine Großtante nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ihr Tränen vor Erleichterung übers Gesicht rannten, weil ich wieder bei Bewusstsein war.
Beim nächsten einschneidenden Alkoholerlebnis war ich fünfzehn Jahre alt und fühlte mich unsterblich verliebt in Mick. Der war das Alphatier unter den Jungs, der Schwarm aller Mädchen und ein rotes Tuch für die Lehrer, die seinen hedonistischen Charakter bezwingen wollten.
Eines Tages schmiss Mick eine Party im Haus seiner Eltern. Beim Tanzen raunte er
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