Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
führte zu Futtermangel; besonders in Schweinebeständen nahm der Kannibalismus stark zu, 18 und Weideschafe, die sich in ihrer Not beim Fressen an stacheligen Hecken Verletzungen im Maulbereich zuzogen, wurden im Eifer des Gefechts deshalb fälschlicherweise als MKS -infiziert gedeutet. Das wiederum zog die Schlachtung der Herde und aller potenziell gefährdeten Tiere in einem Umkreis von 3 km nach sich. 7,15
Die zahlreichen zusätzlichen Bewegungen von Personal und Fahrzeugen, die durch diese unnötigen Tötungen erforderlich waren, trugen zweifellos zur Weiterverbreitung der Krankheit bei, was zu erneuten Keulungen führte – ein Teufelskreis. 16 Zudem konnte aufgrund begrenzter Kapazitäten nur ein geringer Teil der Tiere wirklich serologisch getestet werden, und wie sich später herausstellte, ließ sich rund ein Viertel der positiven Diagnosen mit modernen Methoden nicht bestätigen. 13 Aufgrund all dieser Mängel schoss die Keulung in diesem Fall weit übers Ziel hinaus. Viele Tiere wurden offenbar ohne guten Grund getötet; 18 bei raschem und konsequentem Handeln wäre das Ausmaß der Epidemie Schätzungen zufolge um 30–50 Prozent geringer ausgefallen. 27
Dazu der MKS -Experte Otto C. Straub von der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen: «Der Willkür war Tür und Tor geöffnet. Es war schlicht die Unfähigkeit der Administration, eine sinnvolle Bekämpfung durchzuführen.» 27 Und auch eine Expertengruppe des britischen Umweltministeriums sieht das Vorgehen der Behörden in der Rückschau selbstkritisch: «Es muss ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen der Kontrolle der Krankheit und dem Tierschutz, aber der Tierschutz darf selbst in einer Notfallsituation nicht unberücksichtigt bleiben.» 7
Ob diesen Worten auch die entsprechenden Taten folgen, bleibt abzuwarten …
Während der MKS -Ausbruch 2001 in Großbritannien vermutlich durch infiziertes Schweinefutter ausgelöst worden war, konnte der Ausbruch 2007 aufgrund serologischer Merkmale definitiv auf ein Laborvirus zurückgeführt werden, das in der Nähe von Pirbright aus einer Rohrleitung entkommen war. Es ließ sich jedoch nicht feststellen, ob das Labor des US -amerikanischen Impfstoffherstellers Merial Animal Health (ein Joint Venture von Merck und Sanofi-Aventis) oder das auf demselben Gelände gelegene staatliche Institute for Animal Health, das Weltreferenzlabor für MKS , der Verursacher war, da beide Labore sich das Leitungssystem teilten. Also wurde von Schadensersatzforderungen abgesehen – die Kosten blieben wie üblich am Steuerzahler hängen. 9
MKS -Viren: Ein Fass ohne Boden
Seit Jahrzehnten wird versucht, bessere MKS -Impfstoffe herzustellen. Das ideale MKS -Vakzin sollte oral verabreicht werden und Vermehrung sowie Ausbreitung des Virus sofort stoppen, am besten, ohne die behandelten Tiere nach der Schlachtung für den menschlichen Verbrauch ungenießbar zu machen. 24 Doch das ist derzeit nichts als ein Traum. Neu entwickelte Lebendimpfstoffe behielten ihre Virulenz nicht selten bei oder gewannen sie wieder zurück, d.h., sie förderten letztlich die Verbreitung der MKS , statt sie zu bekämpfen. Vakzine, die zur Verbesserung der Sicherheit nur Untereinheiten des Virus enthielten, erwiesen sich als nicht wirksam genug. 7,26
Doch das sind nicht die einzigen Hürden. Da es mindestens sieben Serotypen und mehr als 80 Subtypen des MKS -Virus gibt, ist es ohnehin unmöglich, sämtliche gefährdeten Nutztiere vorsorglich mit einem Kombiimpfstoff gegen alle Typen zu immunisieren. 26 Angesichts dieser Antigenvielfalt des MKS -Virus sind keine geeigneten und kommerziell verfügbaren Vakzine für alle Erregerstämme in Sicht. 24 Bei MKS bleibt jede Impfung Flickwerk.
Selbst wenn es einen solchen Impfstoff gäbe, würde er vermutlich nicht viel nützen. Denn es müssten ja alle empfänglichen Nutztiere – also nicht nur Rinder, sondern auch Schweine, Schafe und Ziegen – geimpft werden, womöglich mehrfach: also allein in der Europäischen Union über 300 Millionen Tiere. 16 Das brächte nicht nur horrende Kosten mit sich, sondern auch hohe impfimmanente Risiken. Durch Fehler in der Produktion oder der Anwendung solcher Impfstoffe können durchaus neue Risiken entstehen. 24 Beispielsweise ist es immer wieder vorgekommen, dass mit verunreinigten Impfstoffen riskante Viren verbreitet wurden. Keulung und Quarantäne sowie die Einrichtung von Sperrgebieten werden auf absehbare Zeit die
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