Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
Verzehr mit sogenannten Medikamentenskandalen in Verbindung gebracht. Bei den Vergiftungen und Todesfällen durch den Cholesterinsenker Lipobay® im Jahr 2001 dürfte so manches Mal die Unsitte in amerikanischen Haushalten, jeden Morgen reichlich Grapefruitsaft zu trinken, den Patienten zum Verhängnis geworden sein. 62
Und wer seine Kinder mit Kartoffeln mit Schale füttert – und das ist heute in ökologisch bewussten Haushalten gang und gäbe –, verabreicht ihnen ein natürliches Pflanzenpestizid, das in derselben Giftklasse spielt wie das Rattengift Strychnin oder das Insektengift E 605. Die Schalengifte Solanin und a -Chaconin sind nicht nur für Versuchstiere, sondern auch für Menschen, namentlich für Kinder, eindeutig toxisch. Die Dosis dieser pflanzeneigenen Gifte, die sie im Zweifelsfalle sogar täglich mit ihrer Sättigungsbeilage zu sich nehmen, stellt damit sämtliche in den letzten Jahren von Medien und NGO s thematisierten Rückstände in den Schatten (siehe Kapitel: Viel Rauch um nichts).
Es ist schon merkwürdig, mit welcher Bereitwilligkeit viele Menschen einerseits Pestizide schlucken, um sich andererseits vor Ultraspuren dieser Stoffe zu ängstigen. Wem der Arzt bestimmte Cholesterinsenker, die Fibrate, verschreibt, der nimmt täglich mehrere hundert Milligramm von Stoffen zu sich, die chemisch eng mit dem Herbizid 2,4-D verwandt sind. Im Vietnamkrieg hat es als Entlaubungsmittel «Agent Orange» traurige Berühmtheit erlangt. Täglich gelangen Unmengen dieser pestizidartigen Substanzen aus der Apotheke mit der Toilettenspülung in die Umwelt und schädigen in unterschiedlichem Ausmaß die Gewässer. 48
Und die Statine, ebenfalls populäre Cholesterinsenker, sind nahe Verwandte der «Strobis», einer Gruppe von Pilzvernichtungsmitteln. Auch bei dem Alkoholentwöhnungsmittel antabus®, das inzwischen zwar verboten ist, aber illegal noch immer eingesetzt wird, handelt es sich explizit um das weitgehend verbotene Pestizid Disulfiram. 11,30 Dennoch gilt der Stoff noch immer als wirksamer Geheimtipp im Kampf gegen den Alkoholismus. Disulfiram wurde in der Landwirtschaft aufgrund seiner schweren Nebenwirkungen bei medizinischem Einsatz verboten: Es ruiniert Nerven und Leber.
Der Kunde hat die Wahl: Bevorzugt er natürliche Pestizide, mit denen sich «schädlingsresistente» Pflanzen auf dem Feld selbst schützen, nimmt er in Kauf, dass diese für den Menschen oftmals giftiger sind als moderne Pestizide. Denn letztere wurden zumindest auf ihre akute Giftigkeit hin geprüft. Die meisten Menschen haben vergessen, dass diese Mittel nur deswegen entwickelt wurden, weil sich Nutzpflanzen nicht mehr selbst verteidigen können. Sie benötigen im Gegensatz zu ihren meist ungenießbaren wilden Vorfahren jetzt gegen die Angriffe von Schadinsekten und Schimmelpilzen den Schutz des Menschen. Denn ihre eigenen, primären Pestizide wie das Solanin der Kartoffel wurden im Laufe der Jahrtausende durch sorgfältige Auslese weggezüchtet oder stark verringert. Nur deswegen sind Weizen, Kartoffeln und Tomaten überhaupt genießbar geworden und zu Weltwirtschaftspflanzen avanciert.
Mit den synthetischen Mitteln, den sekundären Pestiziden, schließt der Landwirt die Bresche, die der Züchter in den Verteidigungswall der solaninarmen Kulturkartoffelsorten geschlagen hat, Lücken, die nicht mehr wie früher durch das Absammeln von Schädlingen und das Hacken von Unkräutern durch Mägde, Knechte und Kinder geschlossen werden. Bei modernen Pestiziden ist die Wirkung auf Lebewesen meist gut dokumentiert, und der Analytiker weiß, mit welchen Stoffen man auf welchem Lebensmittel zu rechnen hat. Auch wenn sie als gebundene Rückstände im Labor mit Routinemethoden nicht miterfasst werden, kann man davon ausgehen, dass moderne Wirkstoffe im Schnitt bei weitem nicht so giftig sind wie die pflanzeneigenen Pestizide, von denen ein Teil ja ebenfalls in gebundener Form vorkommt.
Immer schön cool bleiben
Der Mensch ist ein Ergebnis der Evolution, so wie alle anderen Lebewesen auch. Sie alle haben sich an viele dieser mehr oder weniger giftigen Stoffe mehr oder weniger gut angepasst. Es gibt keine «ungiftige» Umwelt. Ob Kartoffel oder Hagebutte, Aal oder Weinbergschnecke – alles, was wir zum Zwecke des Verzehrs der Natur entnehmen, enthält Stoffe, deren Schädlichkeit sich bei ausreichend hoher Dosis und einer hinreichenden Empfindlichkeit des Versuchstiers zweifelsfrei belegen lässt. Dies gilt in weit höherem
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