Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
schulbuchmäßige Kreuzen von bienenfleißigen europäischen mit tropentauglichen afrikanischen Bienen. Die Kreuzung geschah ganz normal per Hochzeitsflug. Das Ziel war, der Dritten Welt eine leistungsfähige Honigproduktion zu ermöglichen. Übrigens: Die Elternbienen waren jeweils harmlose Zeitgenossen, die friedlich ihren Nektar sammelten. 11 Niemand kann also bei der klassischen Zucht vorhersagen, wie das Ergebnis wirklich aussehen wird. Das ist gewiss kein Grund, die Gentechnik zu loben, im Gegenteil: Es mahnt zur Skepsis, aber diese Skepsis gilt gleichermaßen allen Züchtungsverfahren.
Wäre es da nicht vernünftiger, Züchtung generell mit Vorsicht zu genießen? Sicherer wäre es auf jeden Fall. Nur wäre es für uns auch besser? Mit den heutigen züchterischen Verfahren könnte man durchaus identische Nachkommen produzieren, um das Risiko durch «veränderte Gene» so gering wie möglich zu halten. Das Verfahren nennt man Klonen. Da weiß man wenigstens, was man hat! Übrigens: In vielen Haushalten werden Pflanzen seit jeher geklont: Wer per Ableger oder Steckling vermehrt, der klont. Aber das Klonen ist den Kritikern der Gentechnik nun auch wieder nicht recht.
Mit Klonen allein wäre die Landwirtschaft übrigens verraten und verkauft. Denn unsere Nutzpflanzen nehmen ja nicht mehr am evolutionären Wettlauf teil, sie müssen vom Menschen immer wieder aufs Neue für die sich wandelnden Herausforderungen ihrer Anbaugebiete fit gemacht werden. Die Tatsache, dass wir Überschüsse produzieren, verdanken wir bisher noch der klassischen Züchtung, so wie sie Gregor Mendel mit seinen Kreuzungsexperimenten begründet hat. Doch nicht der Mönch Mendel hat die Hungersnöte aus Europa verbannt, dies gelang erst hundert Jahre später dem Amerikaner Norman Borlaug.
Unsere Grundversorgung basiert auf Getreide. Doch es wird als Monokultur angebaut und lockt natürlich allerlei Kleinvieh an. Einer der schlimmsten Feinde des Weizens war noch bis weit ins letzte Jahrhundert hinein ein winziger Pilz: der Schwarzrost (
Puccinia graminis
). Immer wieder vernichtete er Getreideernten und löste damit Krisen oder Hungersnöte aus. Die letzte Katastrophe dieser Art trat 1954 in den USA auf. 25
Borlaug gelang es damals, pucciniaresistente Weizensorten für die ganze Welt zu züchten, mit den damaligen Züchtungsverfahren eine großartige Leistung. 28 Denn es genügt beileibe nicht, Resistenzgene ausfindig zu machen und dann einzukreuzen. Erstens hat das neue Gen in der Pflanze nicht unbedingt den erhofften Effekt, zweitens bewirkt das Kreuzen nicht selten Effekte, die für die Pflanze von Nachteil sind, und drittens gibt es weltweit eine riesige Zahl von Weizensorten, denn jedes Klima, jeder Boden, jedes Ökosystem braucht andere, speziell angepasste Varietäten.
Die resistenten Ursprungssorten bringen meist minimale Erträge und taugen deshalb nicht zum weltweiten Anbau. Wenn es endlich gelungen ist, ihre Resistenzgene auf die vielen Hochleistungssorten zu übertragen, muss dieses Saatgut wiederum über Jahre vermehrt werden, bevor es zum Anbau von Brotgetreide ausreicht. Erst durch diese züchterische Leistung ist «unser täglich Brot» tatsächlich auch täglich verfügbar. Dafür erhielt Norman Borlaug 1970 den Friedensnobelpreis – und genau den hat er sich redlich verdient!
Globalisierung: Die stillen Gewinner
Gewöhnlich ist der züchterische Erfolg nicht von Dauer, denn auch Schädlinge und Krankheiten entwickeln sich weiter; sie versuchen ständig Pflanzen als Nahrungsquelle zu nutzen und dazu ihre Abwehr zu überlisten – das ist die Triebkraft der Evolution. Die Fachpresse ist voll von Beispielen, täglich entwickelt irgendein Lebewesen eine kleine, aber brisante genetische Veränderung, die ihm einen neuen Wettbewerbsvorteil verschafft. Auch im Falle von
Puccinia
ist vor einigen Jahren genau dieses Szenario eingetroffen: eine neue, hochaggressive Rasse des Schwarzrosts bedroht seither wieder den Weizen. 25
Erstmals trat diese Rasse 1999 in Uganda auf (daher heißt sie Ug99) und verbreitete sich schnell nach Äthiopien, Sudan und Kenia und hat inzwischen Südafrika erreicht. 1,7 Das ferne Geschehen war auch für unsere Breiten relevant. Schon durch den globalen Getreidehandel besteht ständig die Gefahr einer Einschleppung. Die Pilzsporen verbreiteten sich außerdem mit dem Wind, sogar von Kontinent zu Kontinent. Vom Horn von Afrika werden sie bei geeigneter Wetterlage in die Kornkammern Asiens verdriftet. 24
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