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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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Erfolg 15 – einfach weil Hormonextrakte, die beim Rind zu mehr Fleisch und Milch führen, beim Kind nicht unbedingt das Wachstum des Skeletts stimulieren. Aber die Spritzerei blieb nicht ohne Folgen: Weit über 100 Kinder erkrankten seither an CJK , die meisten sind bereits verstorben. 18,26,80,85 Offensichtlich befand sich unter den «Spendern» ein unerkannter Fall von CJK – schließlich kann auch das Hirngewebe von Personen, die nicht erkennbar klinisch erkrankt sind, hochinfektiös sein. 43 Doch selbst nachdem die Gefahr bekannt wurde, verkaufte die staatliche französische Zentralapotheke ihre verseuchten Hormonextrakte munter weiter. 26
    Aus unerfindlichen Gründen zog es unsere Presse vor, darüber Stillschweigen zu bewahren. Und das, obwohl die Umstände in Frankreich nicht weniger dramatisch waren als die der britischen CJK -Opfer, die regelmäßig im Abendprogramm vorgeführt wurden. Lag es daran, dass die Todesfälle der Tatsache geschuldet waren, dass man in Frankreich explizit auf das (harmlose) gentechnische Präparat verzichtet hatte? Die Gesamtzahl der iatrogenen, also von Ärzten verursachten CJK -Fälle soll sich 2006 auf weltweit 405 Fälle belaufen, weitaus mehr, als in England an der neuen Variante von CJK verstarben. 12 Vermutlich liegt die reale Zahl eine oder auch zwei Zehnerpotenzen höher als die genannten 405. Denn bei diesen Zählungen spielen Fragen der Diagnostik und Angst vor existenzbedrohenden Schadensersatzklagen die Hauptrolle.
    In Frankreich verlief die Krankheit also bei den infizierten Jugendlichen nicht weniger dramatisch als in England. Doch nur die britischen Kids taugten für die verlogene Propaganda in Deutschland: Man zeigte einen Ausschnitt aus einem Video, in dem der Patient als kleines Kind fröhlich spielt, dann den schwer erkrankten Jugendlichen, der orientierungslos durch die Gänge eines Krankenhauses tapst, ein Interview mit den völlig verzweifelten Eltern, einen kurzen Blick aufs Grab und dann einen Schwenk zum örtlichen Metzger. Der kann sich sowieso nicht wehren. Das rührt emotional auf, das prägt sich ein. Die gleichen Bilder hätte man auch aus Frankreich haben können. Am Schluss hätte der Schwenk zum Facharzt führen müssen. Der war im Gegensatz zum Metzger tatsächlich der Verursacher.
    Ein Ergebnis dieser Skandale war immerhin, dass die genannten Hormone seither fast nur noch gentechnisch hergestellt werden – außer für Sportler, die das Zeug in undefinierter Qualität aus dem Ostblock beziehen, um es sich als Doping- und Muskelaufbaumittel zu spritzen. 66 Anfang der achtziger Jahre jedoch war die direkte Gewinnung aus Schädeln noch die einzige Möglichkeit, an den begehrten Stoff zu gelangen.
    Diese Praxis war weit verbreitet. Ein Lehrbuch aus einem deutschen Fachverlag erklärt detailliert, wie den Rindern die Hypophyse zu entnehmen sei, um sie zu Arzneimitteln weiterzuverarbeiten. 63 Da die Extrakte einem anderen Lehrbuch zufolge auch in Deutschland verwendet wurden 35 – allerdings vorzugsweise als Medikament bei speziellen Erkrankungen und weniger als wohlfeiles Mastmittel für jedermann und jedekuh –, bietet die Hormontheorie nicht nur eine schlüssige Erklärung für den BSE -Ausbruch in England, sondern könnte auch in Ländern wie der Schweiz zur Ursachenfindung beitragen. Die Dokumente sind oder waren jedermann zugänglich. Aber der deutsche Michel genoss lieber seine moralische Entrüstung über die spleenigen Briten und ihre verrückten Kühe.

Von Milben und Mäusen
    Damit hätten wir zwar eine plausible Erklärung für das gehäufte Auftreten von BSE auf den Britischen Inseln; wir wissen aber immer noch nicht, woher die spongiformen Encephalopathien rühren, die seit langem in freier Wildbahn bei vielen Tierarten bekannt sind. Dieser Krankheitstyp ist gar nicht so selten: Unter nordamerikanischen Hirschen beispielsweise sollen mancherorts bis zu drei Prozent der Tiere erkrankt sein. 31,33 Die Krankheit heißt Chronic Wasting Disease ( CWD ). Wie verbreiten sich die Erreger in Wald, Feld und Wiese, fern von Tiermehl, Kälbermilch und Hormonspritzen?
    Hier können wir auf die Erfahrungen mit der isländischen Variante von Scrapie zurückgreifen: Die Insel litt wiederholt unter Scrapie-Endemien, die großen wirtschaftlichen Schaden verursachten. Mehrfach entschlossen sich die Isländer, ihren riesigen Schafsbestand zu keulen und die Zucht mit kerngesunden Schafen neu aufzubauen. Doch wie sich zeigen sollte, blieben die

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