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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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16,17,19,51,54,59,74 Besonders peinlich: Entfernt man aus einem Extrakt die Prionen, so bleibt er hochinfektiös. 6,57
    Die Prionentheorie wirft also mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. So ist rätselhaft, wie eine Krankheit Inkubationszeiten von 20 Jahren haben kann, wenn ein falsch gefaltetes Prion die Ursache ist. Es müsste im Rahmen einer Kettenreaktion eigentlich alsbald alle gesunden Prionen zum «Umfalten» anregen. 51 Bei Viren des Zentralnervensystems ist eine lange Inkubationszeit nichts Besonderes, sie schlummern manchmal viele Jahre, bis die Krankheit zum Ausbruch kommt. 2,72
    Inzwischen stieß die Arbeitsgruppe von Laura Manuelidis (Yale Medical School, New Haven, USA ) bei der Suche nach dem Erreger auf ein Virion, das gute Chancen hat, als Auslöser von BSE in die Geschichte einzugehen. Ihr Extrakt enthält im Gegensatz zu Prusiners Experiment kaum Prionen, ist aber hochinfektiös. Es handelt sich um Partikel mit einem Durchmesser von etwa 30 Nanometern. Darin fände ein virales Genom hinreichend Platz. 52,53 Diese Auffassung, dass nämlich ein Virus die Krankheit auslöst und keineswegs Prionen, hatte zuvor schon Heino Diringer, Professor am Bundesgesundheitsamt und Robert-Koch-Institut, in der Fachwelt vertreten. 25 Den Prionentheoretikern warf er vor, sie wollten «die Naturwissenschaft aus den Angeln heben». Einen Erreger ohne Erbgut gäbe es nun mal nicht. 1

Essen mit Hirn
    Nun können wir versuchen, die Übertragungswege zum Menschen abzuschätzen. Da es auch beim Menschen spongiforme Encephalopathien lange vor dem BSE -Ausbruch gab, sind mehrere Wege denkbar: Die häufigste Übertragung erfolgte durch Ärzte, die biologisches Material aus Hirn oder Augen transplantierten oder Hormonextrakte aus Verstorbenen injizierten. Als weitere Übertragungswege sind Gartenarbeiten zu nennen, die zu einem massiven Befall mit Heumilben führen können, die allerdings meist nur die Erntekrätze auslösen.
    Hinzu kommen kulinarische Vorlieben, wie die Erkrankung an Kuru in Neuguinea als Folge des dort praktizierten Kannibalismus, bei dem infizierte Verstorbene im Topf landeten. In der westlichen Welt entpuppten sich bei Untersuchungen von Creutzfeldt-Jakob-Patienten einige der Patienten als Feinschmecker, die die Hirne von wilden Ziegen und Eichhörnchen (als Suppeneinlage) schätzten und in erheblicher Menge verzehrt hatten. 10,37 Auch der Verzehr von Tieraugen, unter Nomaden eine Delikatesse, erhöht das Risiko für spongiforme Encephalopathien deutlich. 5,9
    Die britischen Fälle – dort waren in Zusammenhang mit der BSE -Krise weit über 100 Jugendliche verstorben – liefern genügend Hinweise auf die mutmaßliche Ursache. Würde sie über Fleisch und Wurst übertragen, dann müssten alle Altersgruppen von der Krankheit betroffen sein. In aller Regel bricht Creutzfeldt-Jakob erst in fortgeschrittenem Alter aus. Die Tatsache, dass es praktisch nur Jugendliche traf, darunter sogar Personen, die von Kindesbeinen an als Vegetarier ernährt worden waren, 71 deutet in eine völlig andere Richtung: Angesichts der größeren Durchlässigkeit der unreifen Darmwand für derartige Erreger scheint die Infektion wohl im Säuglings- bzw. Kleinkindalter erfolgt zu sein.
    Hierzu passt ein Detail, das aus naheliegenden Gründen nicht thematisiert wird: Britische Säuglingskosthersteller wollten den Ängsten der Mütter vor «künstlichen Emulgatoren» Rechnung tragen. Ein langjähriger Insider der Branche berichtete einem der Autoren (U. P.), Jahre bevor BSE zum Medienthema avancierte, die Produzenten hätten stattdessen ein klein wenig Hirn untergerührt. So konnten sie auf «natürlichem Wege» eine sämige Konsistenz erzielen – egal ob vegetarische oder fleischhaltige Gläschen. Als die Gefahr bemerkt wurde, fand diese Praxis ein jähes Ende. Dadurch blieben weitere Neuerkrankungen aus. Der britischen Babykostindustrie ist kaum ein Vorwurf zu machen, denn dieser Zusammenhang war damals nicht bekannt.
    Angesichts von schätzungsweise 700000  BSE -Rindern, die vorzugsweise in Europa verspeist wurden, sprechen die ca. 220 v CJK -Fälle (v CJK bedeutet, dass es sich um eine Variante von CJK handelt, die mutmaßlich vom gleichen Erreger wie BSE verursacht wird), die bisher weltweit beobachtet wurden – die meisten davon in Großbritannien –, nicht für eine besonders hohe Infektiosität. Zumindest dann nicht, wenn infiziertes Material in die Nahrungskette gelangt. 8 Dennoch ist die Gefahr einer

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