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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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nicht nur zur Herstellung von Tierfutter nutzten, sondern wohl auch an die Lebensmittelindustrie lieferten. 70 Hier verliert sich die Fährte aber im Dunkel der Lagerräume, Lieferscheine und Lebensmittelkontrollen … Sollte es hier etwa einen Weg zur Übertragung auf den Menschen gegeben haben? Das ist zwar nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich, weil das illegale Fett wohl kaum in der Säuglingsnahrung gelandet sein dürfte, sondern eher in «fester» Nahrung für Erwachsene. Und deren Darm ist gewöhnlich nicht so durchlässig wie der eines Neugeborenen. Wir werden auf dieses Detail später noch zurückkommen.

Hormonjunkies
    In Großbritannien haben die Erreger einen viel direkteren und effektiveren Weg zum Rind gefunden als über Tiermehl oder Milchaustauscher: Sie wurden mit der Injektionsnadel übertragen. Wie Dokumente des britischen BSE -Ausschusses belegen, wurden in Großbritannien jahrzehntelang die Hirnanhangsdrüsen von Schlachttieren gewonnen, um daraus Hormonextrakte herzustellen. Die Rinderschädel wurden gespalten und die Drüsen, fachsprachlich Hypophysen, entnommen. Etwa 400 Stück ergeben ein Kilo. Die Londoner Mikrobiologin Anne Maddocks teilte dem Ausschuss mit, dass diese Extrakte in England Anfang der 1980er Jahre in großem Stil Zuchtrindern und Milchvieh injiziert worden seien. 45,47
    Angefangen hatte diese Praxis um 1950 mit dem Embryotransfer. Um Superovulationen herbeizuführen, also um genügend Eizellen gewinnen zu können, waren diese Hypophysenextrakte unverzichtbar. Bald erkannte man auch ihre wachstums- und milchleistungsfördernde Wirkung. Um den Bedarf zu decken, gab es in England 1988 bereits 16 staatliche Lizenzen für Pharmaunternehmen zur Gewinnung von Arzneimitteln aus Hypophysen. 50 Aber viele Tierärzte verzichteten auf die teuren Präparate aus der Apotheke und stellten sie selbst her. Dazu bedurfte es weder besonderer Sachkenntnis noch spezieller technischer Geräte. 48
    Nun ist BSE keine neue Krankheit, es hat sie schon immer gegeben, wenn sie auch selten auftrat. 25,82 Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis die Hypophyse eines kranken Rindes Verwendung fand. Da die Hypophysen von den Pharmafirmen nicht einzeln extrahiert werden, sondern in größeren Chargen, genügt bereits eine einzige kranke, um eine große Zahl von Hormonspritzen zu infizieren. Werden die infizierten Rinder später ebenfalls zur Gewinnung von Hormonen herangezogen, ist eine Seuche programmiert – exakt so wie auf der Insel. Selbst wenn die ersten Fälle durch Tiermehl oder auch Hirnfett entstanden wären, ist die Krankheit ab dann per Spritze weiterverbreitet worden.
    Die Rinderhypophysen dienten aber auch zur Herstellung anderer Tierarzneimittel: Aus den Hinterlappen der Drüse wurde bis 1991 das Hormon Oxytocin extrahiert. Aus dem Vorderlappen lässt sich das follikelstimulierende Hormon, kurz FSH , gewinnen. 41 FSH ist bei Fruchtbarkeitsstörungen ein gefragtes Medikament. Oxytocin wird den Rindern gewöhnlich nach dem Kalben appliziert, um die Milchleistung anzukurbeln. 65 Die Anwendung am Einzeltier liefert auch eine Erklärung dafür, warum meist nur wenige Tiere in einer Herde erkrankten. Natürlich konnte dieser Zusammenhang der Fachwelt nicht verborgen bleiben, sodass sie schließlich auf die teureren gentechnischen Hormone zurückgriffen. Mit dem Verzicht auf natürliche Hypophysenextrakte sank die Zahl der infizierten Tiere.
    Dass eine Infektion mit spongiformen Encephalopathien wie BSE oder CJK auf diesem Wege unvermeidlich ist, zeigen die Erfahrungen am Menschen mit Hypophysenextrakten aus Leichen. In den 1970er Jahren wurden in Großbritannien nach dem in der Tiermedizin bewährten Vorbild auch allerlei Präparate aus Verstorbenen gewonnen. Dies geschah – wie sich später vor Gericht herausstellte – sogar in den Nebenzimmern von Leichenhäusern, in denen die begehrten Stücke in Honiggläsern für die Weiterverwendung durch interessierte Mediziner aufbewahrt wurden. 49 In England erkrankten durch Hormonextrakte mindestens 38 Patienten. 3,76,85 In Australien wurden 2000 Frauen wegen Unfruchtbarkeit mit Hypophysenhormonen behandelt, die illegal aus Leichen gewonnen waren. Auch hier kam es zu Todesfällen durch Creutzfeldt-Jakob ( CJK ). 68

Wer über Leichen geht
     
    In Frankreich kam es durch diese Praktiken Anfang der neunziger Jahre zur Katastrophe. 3 Hier wurden Hormone aus menschlichen Hypophysen über 2000 kleinwüchsigen Kindern injiziert. Ohne jeden

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