Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
spekuliert. Nach ersten Ergebnissen sind sie wohl für einen geregelten Schlaf notwendig, sie helfen der Retina des Auges und schützen das Gehirn – wer hätte das gedacht – vor neurologischen Erkrankungen. Zudem sollen sie dem Immunsystem sowie dem Langzeitgedächtnis auf die Sprünge helfen. 22,29,30,55,75,77,83
Für die Prionentheorie soll die extreme Widerstandsfähigkeit der fehlgefalteten Prionen gegenüber Enzymen, Strahlen oder Hitze sprechen. Doch alle diese Eigenschaften sind auch von Viren bekannt, insbesondere von den Slow Viruses. 51 Deshalb liegt es nahe, von einer Virusinfektion auszugehen. Das zentrale Argument der Prionentheorie lautet jedoch, dass Tiere, denen man das Gen zur Prionenbildung entfernt hat, nicht am «Wahnsinn» erkranken. 81 Doch das will nicht allzu viel heißen. Da es sich bei Prionen um Membraneiweiße handelt, könnten sie genauso gut der Rezeptor, also die Andockstelle für das Virus sein. 65
Lange war es den Forschern misslungen, Prionen in Reinform zu gewinnen und damit die Erkrankung auszulösen. 28 Ein mit großer Hoffnung erwartetes Experiment des Prionenpapstes Leo Prusiner, mit dem er seine Theorie stützen wollte, mehrte nur die Zweifel. Prusiner stellte auf gentechnischem Wege Prionen her, mit denen er dann bei Mäusen eine spongiforme Encephalopathie hervorrief. 42 Kritiker spotteten, dies sei kein Wunder, schließlich habe er als Ausgangsmaterial für seine Gentech-Prionen infiziertes Mäusehirn verwendet. Zudem war die Wirkung dieser Prionen im Vergleich zu echtem infektiösen Material verschwindend gering. Damit liegt der Verdacht nahe, dass Prusiner ein paar Erreger aus den Mäusehirnen bis in seine Gentech-Prionen durchgeschleift hat. 52 Bis heute fehlt der Beweis, dass Prionen der Auslöser dieser Erkrankungen sind. Der Nobelpreis war Prusiner trotzdem schon ein paar Jahre vorher (1997) für seine Theorie verliehen worden. Die Verleihung hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Die Theorie stammt nicht von ihm – er stellte sie erstmals 1982 der Öffentlichkeit vor –, sondern von John Stanley Griffith. Der hatte sie bereits 1967 in
Nature
publiziert. 34
Virulente Theorien
In der Öffentlichkeit wurde immer wieder betont, dass man bisher auch mit den empfindlichsten Labormethoden keine Viren gefunden habe. Das stimmt. Bloß: Mit Diagnosemethoden wie der PCR lassen sich nur bekannte Erreger erkennen, unbekannte aber nicht. Auch die Tatsache, dass die Krankheit keine Reaktionen des Immunsystems auslöst, überrascht wenig bei Viren des Nervensystems, den sogenannten Neuroviren. Sie befallen zwar das ZNS , vermehren sich dort jedoch praktisch nicht. 72 Diese Neuroviren «hinterlassen keinerlei Entzündungsherd, kein virales Antigen, kein auffindbares Virus, noch irgendwelche Zeichen, die auf eine vorausgegangene Virusinfektion hindeuten», erläutert der Neurologe Richard Johnson von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. 2
Typisch für Viren
Wenn die Viren sich beispielsweise in den Kapillaren einnisten und diese verschließen, werden sie vom anströmenden Blut nicht mehr erreicht und können keine Antikörperbildung hervorrufen. Manche Viren stoßen ihre Hülle ab und umgeben sich mit körpereigenen Stoffen wie Cholesterin. Damit sind sie für das Immunsystem unsichtbar. Tatsächlich wurden bei erkrankten Tieren Eiweiße entdeckt, die Viren verwenden, um sich zu tarnen. 51
Auch andere Merkmale spongiformer Encephalopathien sind typisch für Viren. 23 So kann Scrapie im Tierversuch erfolgreich verhindert werden, wenn man vorher Medikamente verabreicht, die die Vermehrung von Viren bremsen. 7,27 Infiziert man Mäuse, dann entwickelt nur ein Teil der kranken Tiere auch krankhaft veränderte Prionen. 41,59 Wenn es die Krankheit aber auch ohne krankhafte Prionen gibt, dann ist die Prionentheorie falsch. 60 Erst wenn man infiziertes Gehirn über mehrere Generationen von Mäusen impft, findet man irgendwann tatsächlich bei allen Tieren krankhafte Prionen. Folglich sind die Prionen eine Anpassung des Körpers an den bisher unbekannten Erreger, womöglich sogar eine Schutzreaktion.
Bei Scrapie gibt es mindestens sechs verschiedene Varianten, die ähnlich den verschiedenen Grippevirusstämmen etwas unterschiedliche Krankheitsbilder hervorrufen. Da sie dies auch in genetisch völlig gleichartigen (geklonten) Mäusen tun, ist es ausgeschlossen, dass Mäuse, die genetisch bedingt nur eine Sorte Prionen bilden können, unterschiedliche Symptome entwickeln.
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