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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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Keulungen ohne Erfolg. Nach dem «Wiederaufbau» waren die Herden alsbald genauso von Scrapie befallen wie die Herden zuvor. 32,44
    Die Experten tippten auf eine Slow-Virus-Infektion und begannen nach einem natürlichen Reservoir der Erreger zu suchen. Eine ähnliche Erkrankung (Maedi-Visna) war bereits 1933 aus Deutschland eingeschleppt worden und hatte damals die Schafhaltung auf Island völlig ruiniert. Damals war eine Herde von Karakulschafen eingeführt worden, ausgestattet mit einem korrekten Gesundheitszertifikat der deutschen Behörden. Die Tiere hatten sich zudem zwei Monate in Quarantäne zur Beobachtung befunden. Doch die Seuche setzte erst später ein, und durch diesen Vorfall lernte man schließlich einen neuen Infektionstyp kennen, die «langsamen Viren» (Lentiviren, Slow Viruses). Sie verursachen Infektionen des Nervensystems, die jahrelang in einem Lebewesen schlummern und erst dann beginnen, ihren Wirt zu schädigen. 64
    Auf der Suche nach dem Erregerreservoir von Scrapie stießen die Forscher schließlich auf blutsaugende Milben (
Haemogamasus nidi
). Die winzigen Spinnentiere wurden unter der Lupe von Mäusen abgesammelt, die man auf den betroffenen Höfen gefangen hatte. Nach einer Injektion von Milbenhomogenat in das Gehirn von Mäusen entwickelten diese das Krankheitsbild von Scrapie. 58
    Damit war der Übertragungsweg in den isländischen Schafherden entschlüsselt: Stirbt eine befallene Maus, müssen sich die Milben einen neuen Wirt suchen und gelangen dabei auch auf Lämmer. Diese haben kurz nach der Geburt eine nackte Stelle am Bauch, an der sich die Milben festsetzen können. Ausgewachsene Schafe sind durch ihre dichte, verfilzte Wolle geschützt. Das ist der Grund, warum die Infektion unmittelbar nach der Geburt erfolgt. 78
    Eine neuere Untersuchung in den USA bestätigte inzwischen die Ergebnisse aus Island. Die Forscher sammelten Heumilben aus den Futtertrögen von Betrieben, die Probleme mit Scrapie hatten. Aus den Milben wurde ein Extrakt gewonnen und anschließend Mäusen injiziert. Auch diesmal traten scrapieähnliche Krankheitsbilder auf. 84 Damit würde die Übertragung in freier Wildbahn genauso erfolgen wie bei anderen Krankheiten auch: durch Vektoren wie Zecken, Milben oder Stechmücken. Welche es bei der jeweiligen Tierart sind, wäre noch zu klären.
    Wenn in Beständen von Gatterwild – selbst dann, wenn die Weide vorher jahrelang nicht mehr genutzt wurde – erneut spongiforme Encephalopathien wie die Chronic Wasting Disease der Hirsche auftreten, dann nicht deshalb, weil sich die Prionen im Boden verstecken, 56 sondern weil sie durch Insekten oder Milben übertragen werden. Daher dürfte auch manch eine Häufung von Encephalopathien in den Zoos rühren. 39 Hat man die Milben erst mal drin, wird man sie nicht so schnell wieder los. Das könnte auch einer der Gründe sein, warum in Deutschland und der Schweiz vor allem Weidetiere erkrankt sind und weniger die Rinder aus Massentierhaltung.
    Diese Zusammenhänge hat einer der Autoren (U. P.) anhand der verfügbaren und auch hier zitierten Dokumente auf einer europäischen Tagung zur Risikovorhersage vorgetragen. Selbst der Umstand, dass ein anwesender Nobelpreisträger, Reinhard Selten von der Universität Bonn, diese Überlegungen für plausibel hielt und im Plenum unterstützte, nutzte nichts. Die Ausführungen lösten unter den ExpertInnen heftige Empörung aus. Sie warfen dem Redner vor, er habe «den alten Mann verführt» – gemeint war der Nobelpreisträger –, es gäbe außerdem gar keine «blutsaugenden Milben», und schlussendlich war der Beitrag im Tagungsband nicht mehr enthalten. 62 Was sagt uns das? Es geht offenbar um viel, viel Geld.
    Des Wahnsinns fette Beute: Prionen
    Jedes Kind weiß heute: BSE wird von geheimnisvollen Prionen übertragen. Das sind infektiöse Eiweißkörper, die sich – einmal im Gehirn präsent – wie eine Seuche vermehren. Um eine Gefahr darzustellen, müssen die Prionen jedoch zuerst ihre Struktur ändern. Das lasse sie «infektiös» werden, und in dieser Form brächten sie «gesunde» Prionen dazu, sich ebenfalls umzufalten. Diese Veränderung zerstöre letztlich die Nerven. Die wenigsten Menschen wissen, dass Prionen keine exotischen Eindringlinge sind, sondern dass man sie als nützliche Bestandteile überall in Zellen findet – von der Hefe über den Fisch bis zum Menschen. 40,79
    Prionen sind völlig normale Bestandteile des Gehirns. Derzeit wird über ihre Rolle noch

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