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Wer hat Tims Mutter entführt?

Wer hat Tims Mutter entführt?

Titel: Wer hat Tims Mutter entführt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Fahrertür-Fenster machte sich ein
Autoknacker zu schaffen.
    Mit einer Drahtschlinge, die er
durch den Fensterspalt geschoben hatte, versuchte er, den Türstöpsel
hochzuziehen.
    Marion hielt den Atem an. Und
blieb stehen.
    Ein Wagen — ein rostiger Kombi
— stand noch zwischen ihnen und dem Täter.
    Er war groß, trug eine
Lederweste, hatte einen breiten Specknacken und eine weißblonde Bürstenfrisur.
    Lärm brandete über den Vorplatz
— bei Tag und bei Nacht, besonders aber jetzt.
    Tim legte den Finger über die
Lippen, was Marion richtig verstand, und trat lautlos hinter den Autoknacker.
    „Probier’s mal mit ‘ner Angel.
Vielleicht klappt es dann.“
    Der Typ verharrte geduckt. Er
drehte sich nicht um. Und wenn — dann würde er...
    Tim, keilerei-erfahren, wußte
es längst. Seine Tasche — olivgrünes Leinen mit einem Fassungsvermögen wie ein
Koffer — stand schon auf dem Kombidach.
    Der Bürstenkopf wirbelte herum.
Seine Faust sollte Tims Magen rammen, wurde aber mit einer eleganten
Blocktechnik nach außen und vorbei gelenkt.
    „Nicht doch!“
    Tim stieß mit dem Handballen
zu. Der Typ fiel rücklings über die Motorhaube, und aus der Nase schoß Blut.
    „Hau ab!“ Tim ließ die Hände in
Schulterhöhe. „Und wenn demnächst hier ein Wagen geknackt wird, gebe ich der
Polizei deinen Steckbrief.“
    Er war nicht schwer zu
beschreiben, der Typ: ein eckiges, flaches Gesicht, auf dem ein Sonnenbrand
leuchtete, schmale blasse Augen und eine Narbe, die die linke Augenbraue
teilte. Tim konnte sich nicht erinnern, jemals kleinere Ohren als diese gesehen
zu haben. Sie lagen so flach am Kopf, daß man sie von vorn kaum bemerkte. Im
linken Ohrläppchen steckte ein goldener Ohrring.

    Der Typ rollte sich nach vorn
über die Motorhaube ab, wäre fast gestürzt, konnte sich aber auf die Stoßstange
stützen. Während er zwischen den Fahrzeugen verschwand, drückte er sich ein
Taschentuch an die Nase.
    „Mein Gott!“ Marion schüttelte
mutlos den Kopf. „Es wird immer schlimmer. Überfälle, Einbrüche,
Handtaschenraub. Ich war nur eine Viertelstunde weg. Nur eine Viertelstunde!“
    Goliath wedelte freudig. Jetzt
bellte er auch, und Tim holte ihn zu sich auf den Beifahrersitz. Ein Winzling
von Hund mit klugen Augen, warmem Bäuchlein und spitzen Zähnen, die nach Tims
Nase schnappten. Goliath war noch sehr verspielt. Marion sagte, daß er sich vor
Schmetterlingen fürchte. Wenn er denen im Garten begegne, flüchte er jedesmal
bellend ins Haus.
    Außerhalb der Innenstadt flaute
der Verkehr ab. Marion fuhr versehentlich bei Rot über eine Ampel, aber es kam
niemand von rechts oder links.
    Das Haus, in dem Tims Mutter ihre
Dachgeschoßwohnung jetzt allein für sich hatte, lag in einem der ruhigen
Stadtviertel. Es gab keine Geschäfte in der Straße, aber kleine Gärten und in
der Nähe einen Park. Die ehemalige Villa war in drei Etagen-Wohnungen umgebaut
worden. Im Parterre lebte die Eigentümerin, die Witwe eines Professors für
Medizin, der auch die Universitätsklinik geleitet hatte. Die Wohnung im ersten
Stock hatte ein Dirigent gemietet. Er war selten zu Hause, reiste fast nur in
der Welt herum. Im Dachgeschoß, wo die Räume kleiner waren und schräge Decken
hatten, waren Susanne und Tim vor drei Jahren eingezogen. Die schöne Umgebung
und eine erschwingliche Miete hatten Tims Mutter den Entschluß leichtgemacht.
Seit Tims Vater nicht mehr lebte — er war bei einem Unfall ums Leben gekommen —
mußte sie allein für sich und Tim sorgen. Es war anfangs sehr schwer, und
Verzicht gehörte zum Alltag. Trotzdem ermöglichte Susanne ihrem Sohn den Besuch
der bekannten Internatsschule. Galt die doch als ein guter Start ins
Berufsleben.
    Marion parkte am Zaun, gab Tim
die beiden Sicherheitsschlüssel am Metallring und stieg aus.
    Tim blickte über die
Kirschbäume zum Dachgeschoß hinauf, während Goliath auf seinem Arm zappelte.
    Auch jetzt kein Licht hinter
den Fenstern. Tim hatte eine Hoffnung gehegt, obwohl das unsinnig war.
    Im Parterre, an einem
Eckfenster, war der grüne Vorhang von innen beleuchtet. Paula-Margarete
Kernreuther, die Professoren-Witwe, saß vor dem Fernsehapparat. Tim mochte die
alte Dame, die teils nach Lavendel, teils nach Mottenpulver roch. Sie ging
selten aus und erhielt noch seltener Besuch, trug aber ständig soviel Schmuck,
als erwarte sie einen Staatsgast.
    Tim und Marion stiegen die
Treppe hinauf. Goliath knabberte an Tims Ohr.
    Der TKKG-Häuptling setzte seine
Tasche ab und

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