Wer heimlich küsst, dem glaubt man nicht (German Edition)
Sidney van der Hoff, meine Mutter ist kein erfolgreiches ehemaliges Supermodel und Rick Stamford hat sich nicht schon am ersten Tag in mich verliebt, als ich in der neunten Klasse auf die Highschool überwechselte (um drei Jahre später per SMS mit mir Schluss zu machen). Aber trotzdem. Bis jetzt ist mir noch kein Junge begegnet, der mich ausgelacht hat, statt mich zu küssen.
Außer Tommy Sullivan.
Der ganz eindeutig massiv gestört ist.
Getröstet von diesem Gedanken, sperrte ich mein Rad vor dem Old Town Photoshop an einen dieser Pfosten, die so aussehen sollen wie die, an denen früher die Pferde angebunden wurden, und ging in den kleinen altmodischen Laden.
Hinter der Theke stand Mr Bird, der wie üblich mürrisch dreinblickte.
»Du schon wieder«, brummte er.
»Hallo, Mr Bird«, grüßte ich freundlich und nahm meinen Fahrradhelm ab. »Kann ich sie mir anschauen?«
»Willst du eine Anzahlung machen?«, fragte Mr Bird.
»Darauf können Sie wetten.« Ich zog mein Portemonnaie aus dem Rucksack. »Heute sind es noch mal fünfzig Dollar. Ach so, und dann wollte ich auch noch die Fotos von letzter Woche abholen.«
Seufzend schlurfte Mr Bird ins Hinterzimmer. Nach einer Weile kam er zurück und legte eine Kamera und einen Umschlag auf die Theke. »Da.«
Ich nahm meine Kamera – oder jedenfalls die Kamera, die eines Tages meine sein wird, wenn ich sie ganz bezahlt habe – andächtig in die Hände und bewunderte sie. Sie war immer noch so wunderschön wie an dem Tag, an dem sie in Mr Birds Laden angekommen war und darauf gewartet hatte, dass jemand vorbeikam, der ihre einmalige Optik, ihre meisterliche Herstellung und die hochwertigen Materialien zu würdigen wusste.
Jemand wie ich.
»Hallo, Baby«, gurrte ich. »Keine Angst, Mommy hat dich nicht vergessen.«
»Darf ich dich bitten«, sagte Mr Bird müde, »erst dann so liebevoll mit der Kamera zu reden, wenn du sie ganz bezahlt hast.«
»Heute leider noch nicht«, seufzte ich, legte sie vorsichtig wieder auf die Theke und öffnete dann den Umschlag, den Mr Bird gebracht hatte.
»Und was sagen Sie zu meinen Bildern?«, fragte ich und breitete die Fotos auf der Theke aus, um sie mir anzusehen.
»Wenn du die Sonnenaufgänge und die auf dem Pier sitzenden Möwen aufgibst«, brummte er mürrisch, »wird vielleicht noch mal was aus dir.«
»Sie machen wohl Witze.« Ich deutete auf eine Aufnahme, auf die ich besonders stolz war. Sie zeigte einen Pelikan, der auf einem Pfahl saß und sich das Gefieder putzte. »Solche Bilder sind Gold wert.«
» Solche Bilder …«, Mr Bird tippte auf einen Schnappschuss, den ich nur aus Quatsch gemacht hatte und der Shaniqua und Jill zeigte, wie sie sich an einem Nachmittag im Gulp, als gerade nichts los gewesen und Peggy zur Bank gefahren war, um einen Quahog-Fritter stritten, »… sind Gold wert.«
»Ganz meine Meinung«, sagte da eine tiefe männliche Stimme hinter mir.
Unwillkürlich stöhnte ich laut auf.
NEUNTES KAPITEL
»Jetzt«, sagte ich und klang dabei fast so schlecht gelaunt wie Mr Bird, als ich mich zu demjenigen umdrehte, der hinter mir stand, »habe ich aber echt endgültig genug.«
»Wovon?«, fragte Tommy unschuldig. Er beugte sich vor und betrachtete die Fotos. »Mr Bird hat vollkommen recht. Du hast ein großartiges Talent, andere Menschen genau im perfekten Moment abzulichten. Pelikane sind eher nicht dein Ding.«
»Genau das versuche ich ihr schon seit Jahren zu sagen«, stimmte Mr Bird ihm zu. »Jeder Idiot kann Pelikane fotografieren und als Postkarte für fünfundzwanzig Cent verkaufen.«
»Wohingegen Fotos wie dieses hier …« Tommy deutete auf ein Bild, das ich von Liam und meinem Vater im Garten beim Footballspielen gemacht hatte – das Gesicht meines Vaters wirkte hochkonzentriert, Liams beinahe ein bisschen ängstlich –, »… eine richtige, kleine Geschichte erzählen.«
»Ich habe genug davon, dass du mir nachspionierst!« Ich steckte die Fotos in den Umschlag zurück und funkelte ihn böse an, auch wenn mir das nicht leichtfiel. Ihn böse anzufunkeln, meine ich.
Was daran lag, dass er sogar noch umwerfender aussah als am Abend zuvor, obwohl er sich mit seinem Outfit ganz offensichtlich keine besondere Mühe gegeben hatte. Er trug ein T-Shirt, Shorts und Flip-Flops.
Genau wie ich.
Nur dass er darin viel besser aussah.
»Hey, hey.« Tommy hob beschwichtigend die Hände. »Früher bist du mit konstruktiver Kritik entspannter umgegangen. Was hast du denn auf einmal?«
»Wir
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